"Der Verstand ist ein Organsystem, welches das ganze physische Wesen mit einschließt. Zweck des Verstandes ist es, zu überleben und recht zu haben. Er wird alles tun, um dies zu erreichen."
Diese Aussage stammt von Ron Smothermon und ist in seinem Buch Drehbuch für Meisterschaft im Leben nachzulesen.
Ich habe lange darüber nachgedacht – und je mehr ich es drehte und wendete, desto mehr stimmte es für mich.
Recht haben zu wollen ist tatsächlich ein tiefverwurzeltes Bedürfnis des Verstandes. Es stammt aus einer Zeit, in der recht zu haben gleichbedeutend war mit überleben.
In einem Gespräch mit einer Bekannten führte ich dieses Zitat an.
Sie jedoch war überzeugt, dass es nicht stimme.
Menschen wollten nur „gesehen“ werden, sagte sie. Wenn das nicht geschähe, leiteten sie eben einen Kampf ein.
Für mich ist das ein typisches Wenn-dann-Spiel:
Wenn du meine Bedürfnisse (z. B. nach Gesehenwerden) nicht erfüllst, dann kämpfe ich gegen dich.
Ein klassischer Fall von: „Du bist verantwortlich für meine Gefühle.“
Wenn du mich nicht siehst, dann darf ich wütend sein.
Wenn du mir nicht recht gibst, dann bist du schuld an meinem Schmerz.
Aber wahre Reife beginnt dort, wo ich erkenne:
Ich bin verantwortlich für das, was in mir geschieht.
Ich darf mir wünschen, gesehen zu werden.
Aber ich darf daraus keine Forderung machen, keinen Anspruch, keine Bedingung.
Denn sonst verliere ich meine Freiheit.
Und mache andere zu Schuldträgern meines inneren Wetters.
Der Wunsch, gesehen zu werden, ist zutiefst menschlich.
Doch sobald er zu einem „Du musst!“ wird, ist Liebe nicht mehr möglich.
Recht haben zu wollen – wie Ron Smothermon es beschreibt – ist oft kein Zeichen von Klarheit,
sondern ein Akt der Selbstverteidigung, wenn das Gesehenwerden ausbleibt.
Ich darf jedoch sagen:
„Ich sehe mich selbst – und das genügt mir in diesem Moment.“
All das sagte ich in diesem Gespräch mit meiner Bekannten jedoch nicht.
Ich ersparte es ihr – und mir –, um jeden Preis recht behalten zu wollen.
Und so durfte sie recht haben.
Und alles war gut.
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