Frieden ohne Erklärung
Wahre Freiheit entsteht, wenn wir bemerken, dass wir Entschuldigungen, auf die wir manchmal jahrelang gehofft haben, nicht brauchen – und auch nie gebraucht haben.
Manchmal hängen alte Geschehnisse in uns fest, die wir längst vergessen glaubten.
Manchmal halten wir Verletzungen für längst geheilt – stellen aber in bestimmten Situationen fest, dass sie noch immer präsent sind.
Kürzlich habe ich mich mit einem alten Freund getroffen, den ich sehr schätze und mag.
Doch vor vielen Jahren fiel ein Schatten auf unsere Freundschaft.
Wir gerieten in eine Situation, die für uns beide schwierig war – für ihn vielleicht noch schwieriger als für mich, weil er eine Entscheidung treffen musste, die einerseits gerecht sein sollte, andererseits jedoch seine berufliche Position nicht gefährdete.
In meinen Augen war seine Entscheidung weder gerecht noch besonders mutig. Ich fühlte mich im Stich gelassen und war sehr enttäuscht und gekränkt.
Als wir uns nun nach all den Jahren wiedersahen, spürte ich keine Kränkung mehr – aber stattdessen Wut.
Ich hegte den tiefen Wunsch, ihm meine damalige Frustration ungefiltert mitzuteilen.
Ich tat es nicht. Und darüber bin ich froh.
Wem hätte es genutzt, eine alte Geschichte aufzuwärmen, die zwar noch irgendwo in mir lagert, aber längst kein neues Kapitel mehr braucht?
Hätte es mir geholfen, wenn er sich entschuldigt hätte?
Wenn er sich verteidigt hätte – was vermutlich eher geschehen wäre?
Wenn er seine Situation erklärt und seine Entscheidung als richtig dargestellt hätte?
Hätte ich mich besser gefühlt, wenn ich mich in die Rolle des Opfers begeben hätte?
Vielleicht hätte mir eine Entschuldigung einen Moment der Befriedigung verschafft.
Vielleicht hätte mir die Rolle „Mir geht es schlecht, und du bist schuld“ im ersten Augenblick gefallen.
Doch das Gespräch wäre wohl für uns beide unangenehm geworden.
Und nichts davon hätte die Vergangenheit ungeschehen gemacht.
Was damals geschehen ist – mein Schmerz, meine Frustration, meine Enttäuschung – ist Teil meiner Geschichte, Teil des Weges, auf dem ich gelernt habe, mit solchen Situationen umzugehen.
Ich habe gelernt, dass nicht alles im Leben den Abschluss findet, den wir uns wünschen.
Nicht jede Verletzung heilt durch ein klärendes Gespräch oder eine Entschuldigung.
Aber wir haben die Möglichkeit, eigene Wege der Heilung zu finden.
Und darum bin ich mir selbst dankbar, dass ich innegehalten habe.
Dass ich dem Impuls widerstanden habe, eine alte Geschichte ans Licht zu zerren.
Denn es hat mir gezeigt, dass ich nicht darauf angewiesen bin, von außen geheilt zu werden.
Die Verantwortung für meine Gefühle liegt bei mir.
Ich darf fühlen, was ich fühlen möchte.
Und ich darf loslassen, wann immer ich bereit bin.
Ich entscheide, wie ich damit umgehe.
Ich entscheide, wie ich mein Leben lebe.
Vergebung ist keine Geste für die andere Person – sondern ein Geschenk an uns selbst.
Und ich habe erkannt:
Ich brauche dich nicht dazu.
Ich brauche dich nicht, um Frieden mit der Vergangenheit zu machen.
Ich bin nicht davon abhängig, ob du einsichtig bist oder nicht.
Ob du mich als Opfer anerkennst oder nicht.
Ich bin nicht abhängig davon, was du tust oder nicht tust.
Für meinen Frieden sorge ich selbst.
Ich wähle ihn – für mich.
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Frieden ist kein Geschenk der anderen. Er ist eine stille Entscheidung in uns selbst – so zart wie eine Feder auf Wasser. Und doch kraftvoll genug, um eine alte Geschichte sanft zu entlassen. |
Vielen herzlichen Dank für diese Worte. Ja wenn ich den Frieden in mir spüre, brauche ich nichts und niemanden von außen. Ich muss und kann nicht mit allem einverstanden sein. Und nach meiner Erfahrung hat auch nicht immer alles was so kommt mit mir zu tun. Also übe ich mich darin, alles los zu lassen, was nicht zu mir gehört. (G.R)
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