„Ich liebe dich bedingungslos.“
Das klingt groß. Rein. Wahr.
Aber ist es das wirklich?
Lieben wir tatsächlich ohne Bedingungen?
Ich liebe meinen Partner, weil er ist, wie er ist.
Wäre er wie der Nachbar – würde ich ihn vermutlich nicht lieben.
Schließlich liebe ich den Nachbarn ja auch nicht.
Und genau das ist schon die erste –
wenn auch nicht die einzige – Bedingung:
„Ich liebe dich, weil du bist, wie du bist.“
Jedes einzelne „Ich liebe dich, weil...“
ist in Wahrheit bereits eine Einschränkung.
Eine Liebe unter Vorbehalt.
Aber meine Kinder –
die liebe ich doch gewiss bedingungslos.
Da bin ich mir sicher.
Oder doch nicht? Wie sicher bin ich mir wirklich?
Wie oft habe ich ihnen im Lauf der Jahre
meine Liebe entzogen –
vielleicht nicht sichtbar,
vielleicht nur für einen Moment –
aber dennoch spürbar.
Immer dann, wenn sie nicht meinen Erwartungen entsprachen.
Wenn sie nicht so waren, wie ich sie mir wünschte.
Wenn sie mir fremd wurden
in ihrem eigenen So-Sein.
Liebe ich meine Freunde bedingungslos?
Vielleicht ist es bei ihnen sogar leichter als beim Partner –
weil ich nicht täglich mit ihnen zusammenlebe.
Und doch… auch hier sind Erwartungen im Spiel:
„Ich liebe dich, weil du zuverlässig bist.
Weil ich mit dir über alles reden kann.
Weil du mich verstehst.“
So viele „Weils“.
So viele unausgesprochene Bedingungen.
Es fällt uns leicht, jemanden zu lieben,
der unsere Liebe erwidert,
unsere Werte teilt,
uns ein gutes Gefühl gibt.
Aber das ist keine bedingungslose Liebe.
Das ist die alltagstaugliche Form von Liebe –
die, die auf Gegenseitigkeit beruht.
Die, die gibt, weil sie empfängt.
Aber was ist sie dann –
diese bedingungslose Liebe?
Bin ich überhaupt imstande, so zu lieben?
Die Antwort ist überraschend schlicht.
Auch wenn sie sich zunächst verborgen hält.
Bedingungslose Liebe ist kein Gefühl für jemanden.
Sie ist das, was bleibt,
wenn es niemanden mehr braucht,
um sie auszulösen.
Sie ist keine wankelmütige Emotion,
kein Gefühl, das von äußeren Umständen lebt.
Sie ist ein Seinszustand.
So wie die Güte.
Bedingungslos wird die Liebe nicht dadurch,
dass wir sie empfinden –
sondern dadurch,
dass wir sie sind.
Liebe ohne Bedingungen beginnt dort,
wo unser innerstes Sein
nach außen strahlt –
ohne ein bestimmtes Ziel,
ohne jemanden bewusst zu „beleuchten.“
Sie verströmt sich,
einfach weil sie ist.
Nicht, weil jemand sie verdient hätte.
Nicht, weil sie erwidert wird.
Sondern weil sie aus einer Quelle kommt,
die sich nicht begrenzen lässt.
Wir können bedingungslos lieben –
ohne alles und jeden mögen zu müssen.
Wir können bedingungslos lieben –
ohne in toxischen Beziehungen zu verharren,
ohne alles ertragen zu müssen.
Denn bedingungslose Liebe urteilt nicht.
Sie liebt aus sich heraus.
Sie schließt niemanden aus –
aber sie zieht klare Grenzen.
„Ich liebe aus meinem innersten Sein heraus.
Das schließt auch dich nicht aus.
Aber unsere Wege trennen sich hier.
Weil ich es mir wert bin.
Und weil ich dich nicht verurteile.“
Was uns aus unserem inneren Liebeszustand wirft,
ist nie „die andere Person“.
Es ist das innere Nein –
das sich gegen das richtet,
was gerade ist.
Es ist das Urteil.
Die Geschichte,
die wir uns über den Moment erzählen.
Die Version,
in der jemand schuldig ist
und wir recht haben.
Bedingungslose Liebe ist unabhängig
von Sympathie oder Abneigung.
Sie hat kein Ziel,
keine Richtung,
kein Objekt.
Sie ist kein Strahl, der auf jemanden gerichtet wird –
sondern ein Raum,
in dem alles sein darf.
Dein Schmerz.
Dein Zorn.
Dein Rückzug.
Auch das, was du an dir nicht lieben kannst.
Und manchmal besteht wahre, bedingungslose Liebe darin, zu sagen:
„Ich liebe aus dem Sein heraus –
aber ich muss nicht bleiben.
Ich muss nicht mögen.
Ich muss nicht zustimmen.
Ich muss nur echt sein.“
Wenn dir ein Mensch begegnet,
den du „nicht lieben kannst“ –
dann frag dich nicht:
„Wie kann ich diesen Menschen lieben?“
Frag dich lieber:
„Wie kann ich in der Liebe bleiben –
selbst wenn ich mich abgrenze?“
Das ist ein Weg –
der uns zurückführt zu uns selbst.
Ein Weg, auf dem wir vielleicht manchmal stolpern,
aber nie verloren gehen.
Ein Weg, auf dem jeder Schritt
von stillem Jubel begleitet wird –
nicht weil es leicht ist,
sondern weil es wahr ist.
Ein Weg,
der uns lehrt, glücklich zu sein –
mit uns selbst.
Und mit allem, was ist.
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