Donnerstag, 24. Juli 2025

Ich weiß es besser – oder doch nicht?

„Solange du dem anderen sein Anderssein nicht verzeihen kannst,
bist du noch weit entfernt vom Weg der Weisheit.“


Wir leben in einer Welt der Meinungen. Nicht der Wahrheiten.
Und das Tragische daran:
Je weniger jemand wirklich weiß,
desto fester scheint oft seine Überzeugung zu sein –
als müsste die Lautstärke der Meinung
die Tiefe der Erkenntnis ersetzen.

Viel zu selten erkennen wir,
dass unsere vermeintlichen Wahrheiten
nichts weiter sind als Meinungen.
Meinungen, die wir meist von jemandem übernommen haben,
der sie vor uns gedacht hat.

Ganz gleich, ob es um Alltägliches geht
oder um philosophische und spirituelle Überzeugungen –
ob wir glauben, unser Nachbar sei dumm wie Bohnenstroh,
oder ob wir meinen, politische Zusammenhänge zu durchschauen,
ob wir an die Unsterblichkeit des physischen Körpers glauben
oder den Tod für unausweichlich halten,
ob wir überzeugt sind, das Universum sei aus sich selbst entstanden,
oder ein schöpferischer Geist stehe hinter allem –
wir vertreten immer nur eine Meinung.
Eine Meinung, die wir uns selten selbst ausgedacht haben.

Doch da wir glauben, unsere Meinung sei pures Wissen –
gleichsam das Maß aller Dinge –,
werden wir nicht müde, jeden,
der sich auf ein Gespräch mit uns einlässt,
davon überzeugen zu wollen.

So erschaffen wir eine Gegenposition.
So begegnen wir nicht einem Menschen, sondern einem Widersacher.
So entstehen Konflikte,
so entstehen Feindschaften,
so entstehen – letztlich – Kriege.

Jedes Beharren auf der Richtigkeit unserer Sichtweise,
jedes Urteil über die Überzeugung anderer
bindet uns tiefer an das Spiel der Dualität.

Ron Smothermon, ein Arzt, Therapeut und Seminarleiter,
schrieb in einem seiner Bücher:
„Der Verstand ist ein Organsystem, das das ganze physische Wesen mit einschließt.
Zweck des Verstandes ist es, zu überleben und recht zu haben.
Er wird alles tun, um dies zu erreichen.“

Und damit hat er wohl recht.

Doch wir können aus diesem Spiel aussteigen.
Wir müssen es nicht bis zum bitteren Ende mitspielen.
Wir müssen nicht recht haben.
Wir müssen niemanden überzeugen.
Nicht einmal uns selbst.

Jedes Mal, wenn wir sagen können:
„Das ist meine Meinung –
aber ich halte sie nicht für die einzige Wahrheit.
Ich bleibe offen, achtsam und friedlich“,
machen wir einen Schritt hinaus aus diesem Spiel.

Jedes Mal, wenn wir uns selbst ein Lächeln schenken,
weil wir nicht alles besser wissen müssen,
und unsere Meinung nicht verteidigen müssen,
fällt es uns leichter, die Überzeugungen anderer
als das zu sehen, was sie sind:
Meinungen.
Nicht mehr – aber auch nicht weniger.

Vielleicht liegt gerade darin der Schlüssel
zu einem gelasseneren, friedlicheren Miteinander:
im Zulassen des Andersseins,
im Wertschätzen der Perspektivenvielfalt,
im liebevollen Abstand zu unseren eigenen Überzeugungen.

Denn je weniger wir uns mit unseren Meinungen identifizieren,
desto mehr lösen wir uns
von den starren Kategorien von „richtig“ und „falsch“.

Vielleicht ist genau das
der Weg zu mehr Liebe, Mitgefühl und innerem Frieden.

Vielleicht eröffnet uns das Eingeständnis,
nicht im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein,
Begegnungen auf Augenhöhe.

Und vielleicht geht es beim Aufeinandertreffen
unterschiedlicher Sichtweisen
nicht um Sieg oder Niederlage,
sondern um eine Erweiterung unseres Horizonts.

Möge uns der Verzicht auf das letzte Wort
den Weg bereiten zu mehr Verständnis,
mehr Miteinander, mehr Frieden.

Und möge unser Blick sanft
und unser Gemüt friedlich sein.



1 Kommentar:

  1. Danke für diesen Beitrag. Ein Weg zu einem friedlichen Miteinander. Wahrheit ist so subjektiv und eine Frage der Perspektive. Danke für das Teilen deiner wertvollen Gedanken. Das Erinnern hilft mir bewusster damit umzugehen. Danke 🤗

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