Sonntag, 8. Juni 2025

Die Kunst des Manifestierens in einer störrischen Welt

Unsere Gedanken formen unsere Wirklichkeit. Was für ein beruhigender Gedanke. Wir sind die Architekten unseres Erlebens. Was wir denken, fühlen wir – und was wir fühlen, wird zur Realität.

Das Gesetz der Anziehung sagt: Worauf du dich konzentrierst, das ziehst du an. Niemand ist schuld an meinen Erfahrungen – nur ich selbst bin verantwortlich dafür. Ich finde das berauschend. Nicht, dass ich je jemand anderem die Schuld gegeben hätte. Aber mit dieser Erkenntnis im Hinterkopf komme ich nicht einmal mehr in Versuchung.

Theoretisch ist diese Tatsache ja vielen bewusst. Aber in der Praxis scheitert es bei den meisten. Für manche bleibt es ungenutztes Wissen. Für andere nicht einmal das. Für mich hingegen ist es gelebte Realität. Ich beherrsche auch die Praxis.
Letzte Woche habe ich an einer Masterclass zum Thema bewusstes Manifestieren teilgenommen. Reine Wissensvermittlung. Mit praktischen Übungsbeispielen. Und wirklich nur während der letzten 45 Minuten erwähnte der Vortragende ganz beiläufig seinen sechswöchigen Intensiv-Workshop – für nur 2.145,80 Euro. Ein echtes Schnäppchen. Wenn man es richtig manifestiert.

Ich habe mir außerdem noch sechs oder sieben einschlägige YouTube-Videos reingezogen – also bitte, die Theorie sitzt. Und was die Umsetzung betrifft: Für jemanden wie mich, die praktisch in einem Ozean positiver Gedanken planscht, ist das natürlich ein Kinderspiel.

Halt dich fest, Universum – ich komme!
Doch selbst ein Meister des Manifestierens kann ins Straucheln geraten, nämlich dann, wenn er mit den Erschaffungsprozessen anderer kollidiert.

Da hilft die makellose Affirmationsroutine wenig, wenn rundherum eifrig Gegenteiliges manifestiert wird.

Gestern zum Beispiel: Ich liege in meiner Hängematte, die Luft ist erfüllt von Rosenduft, Wespen und lästigen Fliegen.. Gerade flüstere ich pflichtbewusst meine Reichtums-Affirmationen ins Universum – da kommt mein Nachbar daher und klagt über den Zusammenbruch der Wirtschaft, über Inflation und Energiepreise. Wie, bitte schön, soll ich da Reichtum manifestieren? Was soll mein liebevoll gehegtes Gedankenmeer schon gegen solch geballten Mangel ausrichten?

Und dann bei der Arbeit.
Wie soll ich jemals befördert werden, wenn Karl-Friedrich aus der Versandabteilung insgeheim das Gegenteil manifestiert? Und das nur, weil ich ihm bei drei aufeinanderfolgenden Teamsitzungen versehentlich den Kaffee über die Hose gegossen habe.
Ich schwöre: Es war keine Absicht.
Es geschah einfach, weil das Universum WUSSTE, dass Karl-Friedrich es verdient hatte.

Es ist wie verhext. Kaum versuche ich, das Universum in geordnete Bahnen zu lenken, funkt jemand dazwischen. Immer ist da einer, der sein eigenes kosmisches Süppchen kocht. Und wenn es nur der Hund ist, der sich mit stoischer Zielstrebigkeit Hundekekse manifestiert – und mich damit nötigt, kurz vor Ladenschluss noch loszuspurten, um den Wunsch dieses Manifestationsmeisters zu erfüllen.

Oder mein Mann, der heimlich den Tod der Waschmaschine manifestiert hat. Jetzt ist sie kaputt. Tot. Mausetot. Und ich schwöre: Das war kein Zufall. Das war eiskalt kalkulierte Manifestation. Er hat sie noch nie leiden können.

Oder mein Sohn, der sich demonstrativ Regenwetter manifestiert, nur um ungestört seinen nächsten Netflix-Marathon zu starten – obwohl er ganz genau weiß, dass ich erst vorgestern die Hängematte im Garten aufgebaut habe, um dem bislang sehr zögerlichen Sommer zu signalisieren: Ich bin bereit.

Oder die Nachbarin, die mir vorschlägt, einen Teil meiner Manifestationsenergie lieber in den Weltfrieden zu investieren – anstatt in Parkplätze, Hängemattenwetter und beförderungsrelevante Kaffeeunfälle.

Und dann ist da noch dieses lästige Timing-Problem: Ich manifestiere mir ganz entspannt den Parkplatz direkt vor dem Supermarkt, sehe ihn schon – golden glänzend im Sonnenlicht –, doch kaum will ich einbiegen, ist da plötzlich jemand, der anscheinend schneller oder geschickter manifestiert hat. Zack – weg ist er.

Manchmal scheint das Universum nach Regeln zu handeln, die so undurchschaubar sind wie das geheime Coca-Cola-Rezept – verborgen, verwirrend und nur Eingeweihten zugänglich.

Ich finde, das Manifestieren sollte jenen überlassen bleiben, die etwas davon verstehen. Wirklich – man muss ja auch mal an das Universum denken. Es muss doch vollkommen überfordert sein, wenn es gleichzeitig einen Lottogewinn, eine neue Liebe, den Weltfrieden und einen Parkplatz vor dem Supermarkt jonglieren soll.

Und wenn es nicht klappt mit dem Reichtum, dem Parkplatz oder der inneren Erleuchtung, dann liegt das ganz sicher nicht an mir. Nein, wirklich nicht. Dann sind – wie immer – die anderen schuld.

Also gut. Ich gebe zu, das mit dem Manifestieren ist doch nicht ganz so einfach. Vielleicht braucht es mehr als ein paar Affirmationen und einen stabilen WLAN-Empfang. Vielleicht braucht es Herz. Geduld. Und manchmal auch einfach ein bisschen Gelassenheit, wenn der Parkplatz weg ist und der Hund wieder alle Kekse herbeimanifestiert hat.

Ich bleibe jedenfalls dran – und falls du mich suchst: Ich bin die mit der Hängematte, dem halb vollen Glas Limonade und dem unbeirrbaren Glauben daran, dass das Universum schon weiß, was es tut. Meistens jedenfalls.

Manifestieren ist keine Zauberformel, die man einfach aufsagt, sondern ein Tanz mit dem Leben – und dieser Tanz erlangt seine Perfektion durch Vertrauen und Hingabe.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen