Freitag, 13. Juni 2014

Ich fühle mich schlecht, und du bist schuld...

Von Kindesbeinen an lernen wir im Grunde genommen, für alles, was sich in unserem Leben zeigt, einen Schuldigen zu suchen (und auch zu finden!). 

Ich erinnere mich da an meine Volksschulzeit. In meiner Klasse war ein Mädchen, das einer sozial schwächeren Familie entstammte. Die Lehrer mochten sie nicht besonders, und so kamen wir Kinder überhaupt gar nicht erst auf die Idee, sie zu mögen oder auch nur freundlich zu behandeln. Damals - als siebenjähriges Kind - dachte ich, sie sei wohl selbst schuld, dass keiner sie mochte. Noch dazu bot sie sich uns als ständiger und zuverlässiger Sündenbock an. Was immer in der Klasse geschah, egal ob jemand etwas verloren hatte (oft dachten oder behaupteten wir einfach, man hätte es uns gestohlen), etwas kaputt gegangen war, wir zu laut, zu wild waren, oder es in der Klasse eigentümlich roch - wir wussten, wem wir die Schuld zu geben hatten. Von den Lehrern wurde das anstandslos akzeptiert, was ich bis heute nicht begreifen kann. Damals fanden wir das jedoch alle ungeheuer praktisch, weil wir nicht verstanden, welch fatale Einstellung zur Selbstverantwortung uns damit vermittelt wurde.

Wer hat niemals erlebt, dass die Eltern beim Streit unter Geschwistern sofort fragten: "Und wer hat angefangen?" Denn DAS war dann der Schuldige.

Nun, wir sind erwachsen geworden, weiser, reifer.... (hoffe ich zumindest!) und unsere Sündenböcke sind andere geworden. Das unbeliebte Mädchen aus unserer Klasse steht uns nicht mehr zur Verfügung, dafür haben wir andere Sündenböcke. Die unfähigen Politiker, die Moslems, die bösen Nachbarn, die Kinder, die plötzlich uns nicht verständliche Wege einschlagen, oder den stumpfen, gleichgültigen Ehepartner, die Andersdenkenden, die Rassisten, die Rebellen, und wer immer sich sonst noch so alles dafür anbietet.

Oft genügen schon Menschen, deren Meinung sich von unserer eigenen so grundlegend unterscheidet, dass wir sie einfach nicht verstehen können und auch gar nicht verstehen wollen. Da kann es schon passieren, dass Ärger, Wut, Feindseligkeit und eine ablehnende Grundhaltung unser sattes Wohlbefinden in den Keller katapultieren.
Nicht eine einzige dieser Emotionen wird tatsächlich im Außen erzeugt. Für jede einzelne haben wir uns selbst entschieden.  Dieser Gedanke schläft jedoch ganz unbemerkt und unbeachtet irgendwo in unserem Hinterkopf.

Egal wofür man die anderen verantwortlich macht, seien es die wenig zufriedenstellenden politischen Zustände oder seien es die unerfreulichen Emotionen, die einen manchmal überrollen, wenn man über die eigene Intoleranz stolpert - das Muster ist immer dasselbe.

Getreu dem Motto "Was wir können, das leben wir, und was wir nicht können, das lehren wir" hänge ich mich viel zu oft gedankenlos an die "Kette des Schmerzes" an - wie Salomon das in "Sara und die Eule" so treffend bezeichnet. 

Ist ja richtig witzig, wie schnell man in solch eine Falle tappen kann, ohne es überhaupt zu merken. Intoleranz bleibt Intoleranz - ganz egal, aus welcher Ecke sie kommt und wogegen sie sich richtet. Und meine eigene Intoleranz ist um gar nichts besser als die der anderen und auch meine Meinung steht nicht über der Meinung anderer. 

Das sind so die Erkenntnisse, die ich heute gewonnen habe, und ab sofort hänge ich wieder an der "Kette der Freude". ALOHA! :-)



1 Kommentar:

  1. Wow das erklärt Vieles und ich "nehme mich heute auch mal selbst an der Nase" (Gertrud)

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