Freitag, 13. Juni 2014

Ich fühle mich schlecht, und du bist schuld...

Ich fühle mich schlecht, und du bist schuld

Von klein auf lernen wir, dass es für jedes unangenehme Gefühl einen Schuldigen geben muss.

Ich erinnere mich an meine Volksschulzeit. In meiner Klasse war ein Mädchen, das aus einer sozial schwachen Familie kam. Die Lehrer mochten sie nicht besonders – und wir Kinder übernahmen diese Haltung, ohne sie zu hinterfragen.
Sie wurde zum Sündenbock. Was immer in der Klasse schiefging – jemand hatte etwas verloren, etwas war kaputt, wir waren zu laut, es roch seltsam – sie war schuld.
Und die Lehrer akzeptierten das meist kommentarlos. Ich verstehe bis heute nicht, warum.

Damals fanden wir das alle praktisch. Wir mussten keine Verantwortung übernehmen. Niemand erklärte uns, was wir dadurch lernten: dass Schuldzuweisung ein legitimer Weg sei, sich selbst zu entlasten.

Auch in unseren Familien lief es oft nicht anders. Wenn Geschwister stritten, lautete die erste Frage:

„Und wer hat angefangen?“
Denn wer anfängt, ist schuld.

Wir sind älter geworden. Reifer, hoffentlich. Aber die Muster sind geblieben – nur die Schuldigen haben sich verändert.
Heute heißen sie:
Politiker,
Impfgegner oder Impfbefürworter,
die ungezogenen Kinder.
der gefühllose Partner,
die Schwiegermutter,
die „Andersdenkenden“,
– je nach Lebenslage.

Manchmal genügt es schon, dass jemand eine andere Meinung hat, die wir nicht verstehen (oder nicht verstehen wollen), damit Ärger, Wut und Ablehnung aufsteigen.
Doch kein einziges dieser Gefühle entsteht durch den anderen.
Jedes dieser Gefühle ist unsere eigene Entscheidung.

Diese Erkenntnis dämmert oft leise – irgendwo im Hinterkopf.
Aber sie ist da.

Was immer wir anderen anlasten – ob schlechte politische Zustände oder das emotionale Chaos in uns – das Muster bleibt gleich:
Du bist schuld daran, dass ich mich schlecht fühle.

Ich habe diesen Mechanismus bei mir selbst oft entdeckt.
Manchmal tappe ich fast beiläufig hinein.
Ich urteile über Menschen, die selbst viel urteilen –
und mache dabei exakt dasselbe wie sie.
Ich fühle mich moralisch überlegen –
und verliere dabei meine Klarheit.

Ich erinnere mich an einen Satz aus „Sara und die Eule“ von Esther und Jerry Hicks:
„Du kannst dich an die Kette des Schmerzes hängen – oder an die Kette der Freude.“
Ich hänge mich manchmal unbemerkt an die falsche.
Und meist dann, wenn ich glaube, besonders recht zu haben.

Doch Intoleranz bleibt Intoleranz –
egal, aus welcher Richtung sie kommt.

Auch meine Meinung steht nicht über der Meinung anderer.
Auch meine Wahrheit ist nur ein Aspekt von vielen.

Diese Erkenntnis hat heute in mir gearbeitet.
Und ich habe entschieden:
Ich kehre zurück zur Kette der Freude.

Nicht, weil ich es „sollte“.
Sondern weil es sich so viel leichter lebt.
Weil ich die Verantwortung für meine Gefühle nicht mehr abgeben will.
Und weil ich wieder spüren möchte,
dass Frieden nicht entsteht,
wenn die Welt sich ändert –
sondern wenn ich es tue.

ALOHA! 🌺




1 Kommentar:

  1. Wow das erklärt Vieles und ich "nehme mich heute auch mal selbst an der Nase" (Gertrud)

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