Donnerstag, 13. März 2014

Mensch ärgere dich nicht

Da stellt sich erst einmal die Frage: Was ist Ärger eigentlich? Wozu brauchen wir ihn und wozu dient er? Und wer oder was ist schuld an unserem immer wieder erlebten Ärger. Wer zwingt ihn uns immer wieder auf? Ärger ist eine Emotion, die wir mutwillig erzeugen, obwohl wir uns dabei schlecht fühlen, und die sich noch dazu auf ein Ereignis bezieht, das bereits stattgefunden hat und daher nicht mehr zu ändern ist. Ärger mag wohl auch ein gewisses Suchtpotential in sich tragen. Wie anders wäre es zu erklären, dass zwar jeder glücklich sein möchte, sich jedoch immer wieder - so als hätte er keine andere Wahl - für das Gefühl des Ärgers entscheidet.

"Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt!" lässt Friedrich Schiller schon seinen Wilhelm Tell sagen. Ist das wirklich so? Ist für unseren Ärger wirklich der böse Nachbar verantwortlich?

Stell dir nun folgende Situation vor:
Du sitzt in deinem Garten, auf deiner Terrasse, oder wo auch immer, und genießt die Frühlingssonne. Du bist entspannt, du fühlst dich wohl und lächelst frohgemut in den Tag. Da kommt der "böse Nachbar" vorbei, der vielleicht etwas mies gelaunt ist. Und da er seine miese Laune nicht für sich behalten mag, giftet er irgendetwas Unfreundliches über den Zaun. Vielleicht ist es auch grad jener Nachbar, den du sowieso nicht besonders magst. Und schon scheint die Sonne nicht mehr so hell und dein Lächeln gefriert dir im Gesicht. Ein unangenehmes Gefühl macht sich in dir breit. Du siehst dich dieser Unverschämtheit hilflos gegenüber. Und du scheinst keine Kontrolle über den Ärger zu haben, der nun in dir hochsteigt, und bist noch dazu der Meinung, dies sei eine ganz natürliche und selbstverständliche Reaktion. Rachegedanken brodeln in dir. Die passende Antwort ist dir auch viel zu spät eingefallen. Und der schöne Tag ist dir verdorben.

Was ist nun passiert? Eigentlich gar nichts. Der Tag ist noch genauso schön wie vorher. Die Sonne scheint auch noch. Du selbst bist noch derselbe oder dieselbe wie vor fünf Minuten. Es hat sich nichts verändert. Die einzige Veränderung, die stattgefunden hat, ist ein mentales Konstrukt in deinem Kopf, basierend auf deiner Bewertung der Situation. Der Nachbar, der ja eigentlich gar nicht böse ist, hat seinen eigenen Schmerz, seinen Frust, seinen Ärger, seine Wut in einen Ball gepackt und dir zugeworfen.

Und du... nun ja, du hattest zwei Möglichkeiten.
Möglichkeit A wäre gewesen, dir zu sagen: "Ok, das ist nun DEIN Ärger. Behalte ihn dir. Ich will ihn nicht, ich brauche ihn nicht und kann damit nichts anfangen." Damit wäre die Angelegenheit erledigt gewesen. Du würdest dem Nachbarn freundlich zunicken und ihn mit seinem Ärger seines Weges ziehen lassen.
Möglichkeit B war nun eben, den Ball zu fangen. Bravo! Genau dafür hast du dich entschieden! Nun hast du den Ärger und dein Nachbar ist ihn los. Er geht zufrieden davon und du sitzt da mit dem Ärger, den du eigentlich nur hast, weil du aus deinem Sessel hochgehüpft bist, die Hände ausgestreckt und "Ja!" gerufen hast, als der "Ball" auf dich zugeflogen kam.

Anlässe für Ärger finden sich überall. Das mag ein Missgeschick sein, das dir passiert, eine Autopanne, der Freund, der unpünktlich oder gar nicht zur Verabredung erscheint, deine Leistungen, die nicht gewürdigt werden oder dein pubertierender Sohn, der einen Umgangston pflegt, der dich an die Decke steigen lässt. Und je nachdem, wie dringend du gerade einen Adrenalinkick brauchst, wird deine Reaktion ausfallen. Das heißt im Klartext, dass du in diesem Augenblick nicht frei bist, nach deinem eigenen Willen zu agieren, sondern ein Muster abspulst, das du so und nicht anders gelernt und gespeichert hast.
Ärger verbraucht unglaublich viel Energie, und so beginnst du, dich in deinen Ärger hineinzusteigern, weil du durch die zusätzliche Adrenalinproduktion kurzfristig scheinbar Energie gewinnst. Da dieser Energiegewinn aber nur scheinbar ist, bist du gezwungen den "Ärgerball" jemand anderem zu zuwerfen, vielleicht deinem Partner, der - deine Missstimmung bemerkend - arglos fragt, welche Laus dir denn über die Leber gelaufen sei. Das hat dir gerade noch gefehlt. Hätte dein Partner gewusst, dass er im Augenblick eine tickende Zeitbombe vor sich hat, hätte er vielleicht geschwiegen. Das hat er jedoch nicht, und so fliegt ihm nun dein Ärger ungefiltert um die Ohren. So lange, bis auch er beginnt, sich zu ärgern. Und wenn er dann so richtig wütend ist, dann kannst du endlich wieder durchatmen.
Geistige Umweltverschmutzung, sonst gar nichts! Bringt keinem was, macht keinen glücklich, hat auch sonst keinen Nutzen. Also wozu das Ganze?
Wenn das Spiel einmal läuft, dann läuft es meist ab wie ein Film, den man sich bis zum Ende ansieht und nicht abschalten kann, obwohl er schlecht ist.
Hast du diese Abläufe jedoch einmal durchschaut, dann bist du dir auch deiner Wahlmöglichkeit bewusst. Und dieses Bewusstsein macht plötzlich alles ganz einfach. Egal, aus welcher Ecke der Ball kommt, keiner kann dich zwingen, ihn zu fangen.

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