Manche Dinge sind leise.
So leise, dass man sie erst hört,
wenn man selbst still wird.
Dankbarkeit ist so etwas.
Sie drängt sich nicht auf,
sie schreit nicht nach Aufmerksamkeit.
Und doch verändert sie alles,
wenn man ihr Raum gibt.
In einer Welt, die oft laut ist,
und in der Mangel mehr Beachtung findet als Fülle,
ist Dankbarkeit wie ein stiller, goldener Faden,
der unser Leben zusammenhält –
auch dann, wenn wir es gar nicht merken.
Und genau darum geht es in diesem Text.
Um eine Haltung.
Eine Rückkehr.
Ein Erkennen.
Vielleicht auch um ein kleines Staunen.
Eine französische Schriftstellerin – ich glaube,
es war Sidonie-Gabrielle Colette – soll einmal gesagt haben: „Wie wundervoll
mein Leben doch gewesen ist – ich wünschte nur, ich hätte es früher bemerkt.“
Dankbarkeit.
Dankbar zu sein für all das, was da ist, was unser Leben bereichert –
wie leicht ist das eigentlich?
Oder wie schwer?
Warum fällt es uns manchmal so schwer, einfach
nur dankbar zu sein?
Dankbarkeit ist leider nichts, was wir als Kinder
wirklich lernen.
Was wir lernen, ist die erzwungene Dankbarkeit:
„Nun sag doch danke!“
„Ich tu alles für dich – und du bist nur undankbar!“
„Wir rackern uns ab, damit es dir einmal besser geht!“
„Andere Kinder wären froh, wenn sie das hätten!“
Diese Form von müssen, die uns oft früh
begegnet,
hat vielen die Freude an der Dankbarkeit verdorben.
Sie hat sie zu einer Pflicht gemacht.
Zu einer Reaktion auf Schuld.
Und so kommt es, dass wir die Geschenke,
die uns das Leben täglich vor die Füße legt,
manchmal gar nicht mehr erkennen.
Und doch:
Es gibt sie.
Auch in meinem Leben. Auch in deinem.
Diese sonnigen Augenblicke –
Momente der Freude, der Lebendigkeit, des Staunens.
Sie ziehen wie ein goldener Faden durch unsere Tage.
Und wenn wir beginnen, diesen Faden wieder wahrzunehmen,
dann ist das echte Dankbarkeit.
Nicht auferlegt,
sondern aus dem Herzen geboren.
Dankbarkeit ist ein kraftvolles Gefühl.
Ein Gefühl, das nicht an äußere Umstände gebunden ist,
sondern tief im Inneren wurzelt.
Sie bringt Frieden,
Zufriedenheit,
und eine stille Freude,
die selbst Gedanken des Mangels verwandelt –
in Zuversicht, Vertrauen,
und manchmal sogar in Wunder.
Den Tag mit Dankbarkeit zu beginnen –
ein leises Danke für das Leben,
für seine Möglichkeiten,
seine Gaben, seine Wege –
verändert alles.
Denn wenn du deine Sichtweise veränderst,
verändert sich dein Leben.
Ich erinnere mich an eine Geschichte aus meiner
Kindheit –
„Mann und Frau im Essigkrug“ von Ludwig Bechstein.
Meine Mutter hat sie mir erzählt.
Ein Mann und eine Frau lebten in einem Essigkrug.
Ein goldenes Vögelchen beschenkte sie:
zuerst mit einem kleinen Haus,
dann mit einem Bauernhof,
schließlich mit einem Stadthaus, einem Schloss,
und zuletzt mit einem Königreich.
Doch sie konnten keine Dankbarkeit empfinden.
Nie war es genug.
Und so endete ihre Reise –
genau dort, wo sie begonnen hatte:
im Essigkrug.
Es wäre doch traurig,
erst am letzten Tag des Lebens zu bemerken,
wie schön es war.
Vielleicht ist genau heute der Tag,
an dem wir es bemerken dürfen.
Und einfach sagen:
Danke.
Dankbarkeit ist kein Ziel, das man erreichen muss.
Sie ist eine Art zu gehen.
Eine Art zu schauen.
Eine Art zu leben.
Sie braucht keine perfekten Umstände –
nur ein waches Herz.
Und vielleicht genügt manchmal schon
ein leiser Blick in den Himmel,
ein zärtlicher Gedanke an einen geliebten Menschen,
oder der stille Satz:
„Wie wundervoll mein Leben doch ist – ich
bin so dankbar, dass ich es erkenne.“
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