Donnerstag, 2. November 2023

Herzübung zur Steigerung deiner inneren Kohärenz

Möchtest du dir selbst etwas Gutes tun – etwas Einfaches, das wenig Zeit braucht, aber tief wirkt?

Etwas, das dein Immunsystem stärkt, deine Intuition vertieft, dein Gedächtnis, deine Kreativität und deine Selbstheilungskräfte anregt?

Dann schenke deinem Herzen ein paar bewusste Minuten.

Zahlreiche Studien des HeartMath-Instituts zeigen: Wenn wir gezielt hochschwingende Gefühle wie Liebe, Dankbarkeit, Mitgefühl oder Freude in uns erzeugen, verändert sich unser gesamter innerer Zustand.
Herz, Gehirn und Körper beginnen, in einem harmonischen Rhythmus zusammenzuarbeiten – ein Zustand, der Gesundheit, Wohlbefinden und innere Balance fördert. Schon wenige Minuten pro Übung reichen aus, und die Wirkung kann bis zu sechs Stunden anhalten.

Es ist ganz leicht. Nimm dir jetzt einen Moment:

  1. Richte deine Aufmerksamkeit auf dein Herz.
    Lege – wenn du magst – deine Hand auf den Herzbereich. Allein das verändert schon etwas in dir.

  2. Lass deinen Atem sanft und ruhig werden.
    Spüre den natürlichen Rhythmus. Nach dem Einatmen eine kurze Pause. Dann wieder ausatmen – ganz von selbst.

  3. Atme nun durch dein Herz.
    Stell dir vor, du atmest direkt durch dein Herz ein und aus. Ein – durch dein Herz in dich hinein. Aus – aus deinem Herzen in die Welt zurück.

  4. Erinnere dich an etwas Schönes.
    Erzeuge nun ein Gefühl von Dankbarkeit, Liebe oder Freude.
    Vielleicht denkst du an einen geliebten Menschen. Ein Tier. Einen Augenblick voller Frieden.
    Lass dieses Gefühl größer werden – als würde es dein Herz ganz ausfüllen.

  5. Bleib für ein paar Minuten in diesem Zustand.
    Wiederhole die Übung gerne mehrmals täglich – besonders morgens, mittags und abends. Dein Herz wird es dir danken.




Samstag, 18. Februar 2023

Wer sind wir - und was wollen wir?

In einer beeindruckenden Dokumentation, die ich heute gesehen habe, erwähnte Gregg Braden einen Ausspruch eines tibetischen Mönchs, der mich tief berührt hat:

„Wir müssen in unserem Leben zu dem werden,
was wir in der Welt erfahren möchten.“

Nicht neu.
Nicht einmal besonders originell.
Oft gehört. Oft gelesen.

Und doch traf mich die Bedeutung dieses Satzes heute wie ein Hammer.
Ich hielt das Video an
und ließ die Konsequenz dieser Worte ganz in mich einsinken.

Denn sie bedeuten nichts weniger als:
Unsere Erfahrungen spiegeln unser So-Sein.
Das, was wir sind, ist das, was wir erleben.

Und so stellt sich unausweichlich die Frage:
Wer bin ich – im Hinblick auf das, was ich erlebe?

Im Umkehrschluss auch:
Will ich wirklich allem, was ich denke, fühle, tue und lasse,
als Erfahrung begegnen?

Viele erleben finanzielle Sorgen,
Existenzängste, Krankheiten, unglückliche Beziehungen,
Trennungen, Einsamkeit –
oder ziehen Menschen an,
in deren Nähe sie sich nicht wohlfühlen.

Und dann leben wir in dieser spannungsgeladenen Zeit,
die uns in den letzten Jahren mit Unsicherheit, Angst und Frustration
geradezu überschüttet hat.

Oft glauben wir zu wissen,
wer oder was „schuld“ ist an unserem Erleben.
Oft geben wir auf –
weil wir meinen, auf äußere Umstände keinen Einfluss zu haben.

Aber:

Es ist unser Leben.
Unsere Erfahrung.
Unsere Verantwortung.

Erst wenn wir bereit sind,
Verantwortung für unser Erleben zu übernehmen –
und uns ehrlich eingestehen,
dass in unserem So-Sein vielleicht noch Luft nach oben ist –
dann beginnen wir,
eine neue Realität zu erschaffen. 😊😏

Denn das, was du bist,
wird die Welt, die dich umgibt.






Sonntag, 18. Dezember 2022

Frieden im Herzen

Franziska Freudensprung stand an ihrem Küchenfenster und blickte versonnen in den Garten. Es war noch früh am Abend – eigentlich noch Nachmittag – dennoch begann es bereits zu dunkeln. „In vier Tagen ist Weihnachten“, murmelte sie vor sich hin. Wieder mal Weihnachten. Zum fünften Mal feierte sie Weihnachten nun allein mit ihrem Papagei Fred. Zum fünften Mal ohne ihren Mann Gottlieb. Und noch immer wusste sie nicht, wohin Gottlieb verschwunden war, als er vor fünf Jahren an einem nebligen Novemberabend nur kurz um die Ecke gehen wollte, um die Zeitung zu kaufen.

Vor einer halben Stunde hatte es zu schneien begonnen und ihr Garten war bereits mit einer dünnen, weißen Decke überzogen. Franziska seufzte.  Manchmal legte sich die Einsamkeit so völlig über sie, wie die Schneedecke über ihren Garten und nahm ihr förmlich die Luft zum Atmen. Sie hatte keine Freunde und auch keine Familie. Abgesehen von ihrem Bruder Kuno. Aber den konnte sie leider nicht ausstehen.  Sie sprachen seit Jahren nicht mehr miteinander.

Doch in letzter Zeit musste sie öfter an ihn denken. Stundenlang saß sie in ihrem Schaukelstuhl, schaukelte vor sich hin, und dachte über die Vergangenheit nach. Sie war bereits zwölf Jahre alt gewesen, als Kuno geboren worden war. Sie hatte dieses Baby über alles geliebt. Sie hatte es gehegt und gepflegt, und als der kleine Bruder gelernt hatte, zu laufen, hatte sie ihn ständig mit sich herumgeschleppt und allen ihren Schulkameradinnen präsentiert. Sie war so unglaublich stolz auf diesen kleinen, blonden Jungen gewesen, der alle mit seinem Charme bezaubert hatte. Doch dann war Kuno an Kinderlähmung erkrankt. Und plötzlich war es, als gäbe es Franziska nicht mehr. Alle Aufmerksamkeit hatte sich dem kleinen Bruder zugewandt. Lange Zeit hatte er im Krankenhaus um sein Leben gekämpft. Und jahrelang hatte seine schwere Erkrankung ihm die nahezu ungeteilte Zuwendung der Eltern gesichert und Franziska in den Schatten gedrängt. Was für sie geblieben war, war die Mutter gewesen, die zehnmal am Tag rief: „Franziska, kannst du mir bitte helfen?“ und dafür einmal wöchentlich seufzend sagte: „Wenn ich dich nicht hätte...!“ Und dann ihr Vater, der ihr öfter über die Schulter oder den Kopf gestrichen und dazu gemurmelt hatte: „Ja, ja, meine Liebe.“ Und wenn sie es recht bedachte, bekam niemand mehr von ihm. Weder die Mutter noch der Bruder. Wenn er besonders gute Laune hatte, wurde ein schwungvolles Schulterklopfen daraus und dazu sagte er aus tiefster Überzeugung: „Vortrefflich, vortrefflich!“, wobei keiner genau wusste, was er damit meinte. Dennoch sah sie sich langsam und unaufhaltsam hinter der Pflegebedürftigkeit des kleinen Bruders verschwinden. Franziska war eifersüchtig.

Kuno wurde wieder gesund. Er lernte auch, wieder zu laufen, jedoch blieb in seinem linken Bein eine Schwäche zurück, die ihm für den Rest seines  Lebens einen hinkenden Gang bescherte. In die Familie kehrte wieder Normalität ein. Dennoch blieb Kuno der verwöhnte Liebling, und niemand bemerkte, wie  Franziska, die sich so sehr nach der Liebe der Eltern sehnte, auf die sie so lange hatte verzichten müssen, immer mehr und mehr in sich zurückzog.

Als Franziska 22 Jahre alt war, starben die Eltern im Abstand von wenigen Monaten und Franziska war plötzlich für ihren kleinen Bruder verantwortlich.  So versuchte sie eben, Kuno so gut wie möglich die Eltern zu ersetzen und ihn zu einem anständigen Menschen zu erziehen.

Anfangs war das noch einfach gewesen. Kuno war ein fröhliches Kind, und seine liebenswerte herzliche Wesensart machte es ihm leicht, Sympathien zu gewinnen. Franziska wäre gerne gewesen wie er – so unbesorgt und unbekümmert, so fröhlich und egoistisch. Doch die Verantwortung, für die sie eigentlich viel zu jung war, drückte schwer auf ihre Schultern, und die Fröhlichkeit war ihr schon vor langer Zeit abhanden gekommen. Gerne hätte sie auch Freunde gehabt. Aber wie man Freundschaften schloss, hatte sie schon als Kind nicht so recht gewusst.

Kuno entwickelte sich zu einem verwöhnten und kapriziösen jungen Mann, der jegliches Spießertum verachtete. Franziska und die Welt, in der sie lebte, betrachtete er mit nachsichtiger, milder Geringschätzung. Er ließ sein Haar wachsen, und trug gerne bunte, auffallende Kleidung. Und obwohl Franziska gerne gesehen hätte, dass er einen soliden Beruf – wie Koch oder Bankbeamter ergriffen hätte, entschied er sich für eine Lehre als Reisebürokaufmann. Er sprach von fremden Ländern, von denen Franziska noch nicht einmal gehört hatte, und davon, dass er die Welt bereisen wollte. Er las viele kluge Bücher und benützte im Gespräch Wörter, die Franziska nicht verstand. Auch brachte er immer wieder Themen zur Sprache, von denen sie keine Ahnung hatte. Sie hatte niemals Zeit gehabt, sich mit Bildung zu beschäftigen. Franziska begann sich in seiner Gegenwart dumm, unzureichend und hilflos zu fühlen. Kunos überlegenes und immer etwas mitleidiges Lächeln konnte sie nicht mehr ertragen.

Letztendlich wurde Kuno erwachsen, jedoch verstehen konnten sie einander immer noch nicht. Kuno begann nun tatsächlich, als Reiseleiter die Welt zu bereisen. Sie sahen einander nur noch selten. Von irgendeiner seiner Reisen hatte er Fred mitgebracht. Da er jedoch selten zu Hause war, konnte er ihn nicht behalten und seither wohnte Fred bei ihr. Dafür würde sie ihm ewig dankbar sein, denn sie liebte diesen verrückten, lauten Papagei. Aber dass er allem, was sie ihm bieten konnte, den Rücken gekehrt hatte, um eine Welt zu bereisen, von der man nicht viel mehr wusste, als dass sie rund war, konnte sie ihm nicht verzeihen. Und irgendwann brach der Kontakt ab.

Sie war fast 45 Jahre alt gewesen, als sie Gottlieb kennengelernt und geheiratet hatte. Warum, das wusste sie nicht genau. Vermutlich einfach deshalb, weil er sie gefragt hatte, und ihr das Leben nicht viele Alternativen bot. Es war nicht die große, überschäumende Liebe gewesen, jedoch hatte sich mit der Zeit ein solides Gefühl der Zusammengehörigkeit entwickelt. Auch ihre Eltern wären mit Gottlieb zufrieden gewesen, hätten sie noch gelebt. Ihr Vater einfach deshalb, weil Gottlieb Schach spielen konnte. Franziska sah es förmlich vor sich, wie ihr Vater Gottlieb mit einer Hand auf die Schulter klopfte und „vortrefflich, vortrefflich“ murmelte, während er mit der anderen Hand die Schachfiguren aufstellte. Und ihre Mutter hätte Gottlieb gemocht, weil er nicht nur ein erstklassiger Buchhalter war, sondern im Notfall auch betonieren konnte. Ihre Mutter pflegte zu sagen: „Und wenn einer noch so ein Lump ist, so lange er betonieren kann, ist nicht alles verloren.“  Nicht dass jemals jemand Gottlieb hätte betonieren sehen. Die Notwendigkeit dazu bestand auch nie. Aber das Bewusstsein, dass er es im Ernstfall konnte, vermittelte schon ein Gefühl der Sicherheit.

Bis Gottlieb in dieser Novembernacht vor fünf Jahren verschwunden war. Franziska war am Boden zerstört. Alles, alles hätte sie ihm verziehen, wäre er nur zurückgekommen. Keine Fragen hätte sie ihm gestellt, ihm keine Vorwürfe gemacht. Doch ihre anfängliche Sorge, ihre Verletztheit und ihr Schmerz hatten sich im Laufe der Zeit erst in hoffnungslose Trauer und danach in Groll und Unversöhnlichkeit verwandelt. Ihretwegen hätte er obdachlos im Park sitzen und erfrieren können. Sie war fertig mit ihm.

Kuno hingegen hatte nie geheiratet. Er war ein etwas sonderbarer Einzelgänger geworden und lebte in einem kleinen Haus am Stadtrand, nur zehn Minuten von Franziskas Elternhaus – in dem sie immer noch lebte - entfernt. Ganz konnte sie nicht verstehen, was aus ihrem schillernden, glänzenden Bruder geworden war. Und vor allem warum. Es mochte wohl sein, dass es einfach zu wenige Menschen gab, die seinen Ansprüchen genügten. Nicht jeder konnte Shakespeare zitieren und verstand Wörter, an denen selbst die Gelehrten im alten Rom noch zu knabbern gehabt hätten. Einen anderen Grund konnte sie sich nicht vorstellen.

Manchmal sah sie ihn aus der Ferne, wenn er, den Blick auf den Boden gerichtet und die Hände auf dem Rücken verschränkt, seinen täglichen Spaziergang absolvierte, seine seltsame bunte Strickmütze über die Ohren gezogen. Sie drehte jedes Mal den Kopf weg.

Doch in letzter Zeit schlich Kuno sich immer öfter in Franziskas Gedanken. Immer öfter dachte sie an den heiteren Jungen, der ihr kleiner Bruder gewesen war, und den sie so geliebt hatte.  Und an den einsamen Erwachsenen, der er geworden war. Aber den Mut, ihn einmal anzusprechen, wenn sie ihn sah, hatte sie nicht.

Auch an Gottlieb musste sie seit einigen Wochen häufig denken. Jahrelang hatte sie sich die Gedanken an ihn nicht erlaubt, sie im Keim erstickt. Doch immer weniger konnte sie die Erinnerung an ihn verdrängen, ihn immer weniger aus ihrem Kopf verbannen.

Das Schrillen der Türklingel riss sie unvermutet aus ihren Gedanken. Fred, der seinen Kopf unter den Flügel gesteckt hatte und vor sich hin gedöst hatte, schrak auf und grölte. „Frrrreudensprrrung!!“  „Das war nicht das Telefon, Blödmann. Das war die Türklingel“, brummte Franziska und schlurfte zur Tür. Umständlich legte sie die Sicherheitskette vor und drehte sie den Schlüssel im Schloss. Dann öffnete sie die Tür und spähte durch den Spalt nach draußen.  Draußen war es dunkel, sie konnte niemanden erkennen. „Ist da jemand?“, frage sie ärgerlich. Alles blieb still. Sie lauschte kurz in die Dunkelheit. Kein Ton war zu hören. Kopfschüttelnd wollte sie die Tür wieder schließen, da sah sie aus dem Augenwinkel, wie sich eine Gestalt aus der Dunkelheit löste.  Sie blieb stehen und linste durch den Türspalt nach draußen. Ihre Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit und sie konnte einen sonderbar gekleideten Jungen erkennen, der da stand und sie unverwandt ansah. Unter einer sonderbaren Zipfelmütze lugten schwarze, struppige Haare und spitze Ohren hervor. Er trug eine bunte Jacke und ebensolche Hosen. „Um alles in der Welt, wer bist du?“ flüsterte sie. Der Junge lachte hell.  „Was bedeutet das schon? Ich bin einfach der, der ich bin. Vielleicht ein Zauberer, vielleicht ein Weihnachtself, vielleicht der Osterhase. Vielleicht bin ich aber auch nur der, der kommt, wenn die Einsamkeit unerträglich wird. Aber was bedeutet es?“

Franziska runzelte verwirrt die Stirn. „Ich glaube, du bist hier falsch. Du hast dich sicher im Haus geirrt. Es ist besser, wenn du so schnell wie möglich wieder verschwindest.“ „Ob es besser ist, kannst du nicht wissen. Du kannst nur wissen, was du im Augenblick möchtest, aber nicht, was besser ist.“

Darauf fiel Franziska so schnell keine passende Antwort ein. Aber sie hatte auch keine Lust, mit diesem seltsamen Jungen vor ihrer Tür zu diskutieren. „Sieh zu, dass du wegkommst….“, wollte sie sagen, jedoch dazu kam sie nicht. Denn in diesem Augenblick grölte Fred aus der Küche: „Verschwindet hier, ihr Lumpenpack! Wir kaufen nichts!“  Der Junge lachte wieder.  „Dein Papagei weiß Bescheid. Aber sorge dich nicht, du brauchst nichts zu kaufen, Franziska. Ich bin da, um dir fröhliche Weihnachten zu wünschen!“ „Fröhliche Weihnachten!“, fauchte Franziska. „Fröhliche Weihnachten!! Danke für den frommen Wunsch. Aber wie soll denn jemand wie ich fröhliche Weihnachten haben? Seit Jahren bin ich allein. Kein Mensch kümmert sich um mich. Kein Mensch denkt auch nur an mich. Nein, das mit den fröhlichen Weihnachten, das wird wohl nichts!“ Herausfordernd starrte sie den Jungen an. Doch der sagte nichts. Betrachtete sie nur neugierig. Auch sie schwieg. Sie wollte dem Jungen die Tür vor der kecken Nase zuwerfen, aber es funktionierte nicht. Sie stand wie erstarrt. Kuno tauchte vor ihrem inneren Auge auf. Ihr Bruder, der – egal was passierte – immer ihr Bruder bleiben würde. Er war so anders als sie. Sie konnte ihn nicht verstehen. Als hätte der Junge ihre Gedanken gelesen, sagte er: „Aber er ist doch nicht weniger wert, nur weil du ihn nicht verstehst. Vielleicht musst du ihn gar nicht verstehen. Vielleicht genügt es, ihn zu lieben.“

Und dann Gottlieb. Er hatte sie verlassen, obwohl sie alles für ihn getan hatte. Sie hatte sich so bemüht, ihm eine gewissenhafte Ehefrau zu sein. Da brach es plötzlich aus ihr heraus. „Immer hab ich alles für jeden getan. Ich habe Kuno großgezogen. Habe versucht einen ordentlichen Menschen aus ihm zu machen. Ich habe ihm gegeben, was ich konnte. Aber es hat nicht gereicht. Und dann Gottlieb. War ich nicht immer ordentlich und anständig? Die Wohnung war immer aufgeräumt, und er bekam täglich sein warmes Essen, wenn er nach Hause kam. Er hatte immer frisch gewaschene und gebügelte Kleidung. Und mindestens fünfmal täglich habe ich ihm seine Brille geputzt. Aber es war ihm nicht genug. Was hätte ich denn sonst noch tun sollen?“ Sie begann hemmungslos zu schluchzen. All ihre jahrelang aufgestaute Frustration, ihre Enttäuschung und ihr Schmerz stürzten wie ein gewaltiger Wasserfall, der alles mitriss, aus ihr heraus. „Vielleicht habe ich Fehler gemacht. Vielleicht habe ich alles falsch gemacht.  Aber ich tat alles, was ich konnte.“ Das Schluchzen schüttelte sie, sodass sie kaum noch sprechen konnte. Leise hörte sie die Stimme des Jungen. „Wenn wir von Fehlern reden wollen, dann hast ganz gewiss nicht nur du welche gemacht. Aber darum geht es hier nicht. Es geht darum, einfach jetzt Entscheidungen zu treffen, die dich glücklich machen.“  „Wie soll ich denn das machen?“ schluchzte Franziska. „Indem du auf dein Herz hörst!“, sagte der Junge. „Auf mein Herz“, schluchzte Franziska, „wie soll denn das gehen?“ Aber sie sprach zu ihrem leeren Garten. Der Junge war weg.

 💛

Vier Tage vor Weihnachten! Gottlieb saß in seinem kleinen Untermietzimmer und rieb seine kalten Hände aneinander, um sie zu wärmen. Die fünften Weihnachten ohne Franziska. Wenn er hätte sagen müssen, warum er an diesem denkwürdigen Tag, als er gegangen war, um die Zeitung zu kaufen, nicht mehr nach Hause zurückgekehrt war – er hätte es nicht gewusst. Zu eng war ihm alles geworden. Zu akkurat. Als er Franziska geheiratet hatte, hatte er das – zumindest zum Teil – deshalb getan, weil er sich nach einem  behaglichen, wohlgeordneten Heim gesehnt hatte. Und natürlich auch, weil er Franziska wirklich gern mochte.

Sie hatte in der Bäckerei gearbeitet, in der er sich täglich seine Frühstückssemmeln kaufte.  Sie hatte auf ihn immer ein wenig schüchtern und zurückhaltend gewirkt, aber überaus tüchtig und umsichtig.

Franziska hatte sich vom ersten Tag ihrer Ehe an Mühe gegeben, alles sauber zu halten und ihn zu versorgen und zu bemuttern. Oh, man konnte ihr nichts vorwerfen. Sie war eine vorbildliche und ordentliche Hausfrau gewesen. Aber hatte sie jemals bemerkt, dass es ihm nicht so wichtig war, ob die Betten jeden Samstag neu bezogen wurden und jedes Staubkörnchen entfernt wurde, ehe es auch nur Zeit fand, sich auf irgendeinem Möbelstück häuslich niederzulassen?

Hatte sie jemals bemerkt, dass er manchmal einfach gerne mit ihr dagesessen und geredet hätte, dass er manchmal gerne etwas mit ihr unternommen hätte? Dafür war nie Zeit gewesen. Sie hatte das Haus geputzt, sie hatte seine Brillen geputzt, und das bis zu fünfzehn mal täglich. Und wenn sie nicht geputzt hatte, hatte sie Deckchen gehäkelt und das gesamte Haus damit dekoriert. Sogar den Klo-Deckel hatte sie mit einem schicken Mäntelchen versehen. Damit und mit ihrer Fürsorge und ständigen Betriebsamkeit hatte sie ihn manchmal halb in den Wahnsinn getrieben.

Er seufzte. Dennoch hatte er sie gern gehabt, seine Franziska. Er hatte sie immer noch gern. „Dann wird es Zeit, dass du eine Entscheidung triffst, die dich glücklich macht!“ Gottlieb erschrak fürchterlich. Vor ihm stand wie aus dem Boden gewachsen eine höchst sonderbare Gestalt. Irgendwie sah das Wesen aus wie ein kleiner Junge, seine Kleidung war jedoch keine normale Jungenkleidung, und seine Ohren waren spitz. „Wer bist du?“, flüsterte Gottlieb. Und wie bist du hier hereingekommen?“  Der Junge ging nicht auf seine Frage ein. „Hast du ihr jemals gesagt, was dir wichtig ist?“ fragte er stattdessen. „Und hast du auch wirklich einmal darauf geachtet, was ihr wichtig ist?“

Gottlieb schloss verwirrt die Augen. Träumte er? Was war hier los? Er öffnete den Mund zu einer Antwort… zu einer Frage… doch er brachte keinen Ton hervor. Und als er es endlich wagte, seine Augen wieder zu öffnen, war der Junge weg. Jedoch schien ihm, als hörte er aus der Ferne eine Stimme flüstern. „Triff eine Entscheidung, die dich glücklich macht.“

Eine Entscheidung, die mich glücklich macht, dachte Gottlieb verwirrt. Dafür war es wohl zu spät. Er würde es nie wieder wagen, nach Hause zurückzukehren. Franziska würde ihn ja auch gar nicht zurücknehmen wollen, da war er sich sicher. Dafür hatte er ihr zu viel angetan. Aber wenigstens anrufen könnte er sie. Nur um ihr frohe Weihnachten zu wünschen und ihr zu sagen, wie leid ihm alles täte. Er wusste jedoch nicht, ob er den Mut dazu haben würde. „Triff eine Entscheidung, die dich glücklich macht!“, hörte er da ganz leise die Stimme des Jungen aus der Ferne. Oder hatte er sich das nur eingebildet?

Egal wie. Er würde tun, was zu tun war. Langsam und bedächtig griff er nach dem Telefonhörer.

💚 

Vier Tage vor Weihnachten. Es hatte zu schneien begonnen, und Kuno beschloss, seinen täglichen Spaziergang durch den Park heute bis zum Wäldchen auf der anderen Flussseite auszudehnen. Die Hände auf dem Rücken, sein linkes Bein hinter sich her schleifend, ging er die verschneiten Parkwege entlang. Sein hinkender Gang störte ihn schon längst nicht mehr. Früher, ja da war das schlimm gewesen. Wenn seine Schulkameraden durch die Straßen rannten, wenn sie zum Fußballspielen gingen, zum Schifahren und Rollschuhlaufen, und er nirgends mithalten konnte, da fraß ihn manchmal die Verzweiflung über seine Behinderung fast auf. Als er älter wurde, und Mädchen in seinem Leben eine Rolle zu spielen begannen, da merkte er, dass leider nicht nur die inneren Werte zählten, wie seine Schwester ihn immer zu trösten versuchte. Nach zwei herben Enttäuschungen, entschied er, allein zu bleiben. Er verkroch sich hinter seinen Büchern, fraß Bildung in sich hinein und bemerkte bald, dass seine Schwester mit ihm nicht mehr mithalten konnte.   Sie war zwar gutmütig und tüchtig, häkelte endlos viele Deckchen und verfolgte ihn ständig mit einer Kleiderbürste, um nicht vorhandene Fusseln von seiner Kleidung zu bürsten,  aber für seine Begriffe war sie doch sehr einfach konstruiert

Ihr war es immer nur wichtig gewesen, das Haus in Ordnung zu halten und ihn zu versorgen. Für mehr interessierte sie sich nicht. Wenn er mit ihr philosophische oder politische Gespräche führen wollte, hatte sie sich stets hinter Hausarbeit versteckt oder blitzartig ihr stets griffbereites Häkelzeug an sich gerissen und wie von Furien gehetzt losgehäkelt.

Dennoch war sie war von ihnen beiden immer die Starke, Überlegene gewesen. Allein schon deshalb, weil sie die Ältere war.

Nun war er wenigstens der Kluge und Gebildete. Er mochte Franziska, aber er konnte nie verstehen, wie ihr das Leben, das sie gewählt hatte, genügen konnte. Sie hatte nie nach Höherem gestrebt. Ihm wurde das Dasein, das sie führten, bald zu eng und zu kleinkariert. Er wollte weg, wollte die Welt sehen, wollte Erfahrungen sammeln. Er wollte der Welt zeigen, dass er auch mit seiner Behinderung ein ernstzunehmender Mensch war. Franziska hatte ihn nur verständnislos angesehen, als er versucht hatte, ihr das zu erklären. „Du hast doch alles, was du brauchst!“, hatte sie gesagt und den Kopf geschüttelt. Damit war das Thema für erledigt gewesen und sie war wieder zur Tagesordnung übergegangen.

Er hatte in seinem Leben viele fremde Länder bereist, er hatte viel gesehen und viel gelernt. Und nun – im Alter von nahezu 55 Jahren, begann er sich erstmals zu fragen, ob er denn gefunden hatte, wonach er gesucht hatte. „Dazu müsstest du dir erst einmal klarmachen, wonach du gesucht hast!“, hörte er plötzlich eine Stimme neben sich sagen. Er zuckte zusammen und blickte zur Seite. Er hatte diesen sonderbaren Jungen, der da plötzlich neben ihm ging, nicht kommen gehört. „Wer bist du?“ knurrte er, „und woher kommst du so plötzlich?“

Der Junge lachte. „Das fragen mich alle! Wenn du unbedingt einen Namen für mich brauchst, dann nenn mich einfach Marakantandel. Oder von mir aus auch – falls dir Marakantandel zu lang ist – Kurt. Es ist egal.“

Kuno runzelte die Stirn und sah den Jungen genauer an. Das Gesicht sah aus wie ein ganz normales Jungengesicht, aber der Junge wirkte wie verkleidet mit seiner komischen Mütze und der bunten Kleidung. Und er hatte auffallend spitze Ohren.  So etwas wie diesen Jungen konnte es eigentlich gar nicht geben. Vermutlich lag diese ganze Erscheinung daran, dass er sich heute ein zweites Glas Glühwein genehmigt hatte. Ja genau, das musste es sein.

Der Junge lachte hell und fröhlich. „Ja genau, so wird es sein. Und hättest du noch ein drittes Glas Glühwein getrunken, würdest du mich sogar doppelt sehen.“ Der Junge schüttelte sich vor Lachen.

Kuno wurde ärgerlich „Geh nach Hause und zieh dir anständige Kleidung an“, fuhr er denn Jungen an. „Und mach um alles in der Welt was mit deinen Ohren. Das sieht ja lächerlich aus.“ 

Der Junge ignorierte seine Aufforderung. „Weißt du, wonach du dein ganzes Leben lang gesucht hast?“ fragte er stattdessen. „Wenn nicht, dann denk drüber nach. Vielleicht begreifst du dann auch, dass du nicht um die halbe Welt hättest reisen müssen, um es zu finden.“

„Lass mich in Ruhe“, brummte Kuno, „es ist ohnedies zu spät, etwas zu ändern.“

„Du brauchst ja auch nicht die Vergangenheit zu ändern. Du brauchst ja nur JETZT eine Entscheidung treffen, die dich glücklich macht. Verstehst du? JETZT!“

Plötzlich wusste Kuno, was er sein Leben lang gesucht hatte. Wie eine Erleuchtung kam es über ihn.

„Ein bisschen Frieden im Herzen hätte ich gebraucht“, flüsterte er. „Mit mir selbst hätte ich Frieden schließen müssen. Franziska konnte nichts dafür. Sie konnte nichts für meine Krankheit. Sie konnte nichts für meine Behinderung. Sie tat, was sie konnte.“

„So ist es“, sagte der Junge. „Du bist, wer du bist. Nichts kann daran etwas ändern. Auch deine Behinderung ändert nicht, wer du bist. Dein Leben lang damit zu hadern ist deine eigene Entscheidung. Du musst dich nicht beweisen, da du ja sowieso bist, der du bist. Du musst das nur begreifen, dann hast du, was du dein Leben lang gesucht hast.“

„Den Frieden im Herzen“, murmelte Kuno.

Und völlig unvermutet spürte er ihn plötzlich ganz tief in sich drin, diesen Frieden.

„Triff ab jetzt nur mehr Entscheidungen, die dich glücklich machen“, sagte der Junge.

„Das werde ich tun“, flüsterte Kuno, „das werde ich ganz gewiss tun.“  Jedoch da war keiner mehr, dem er das hätte sagen können.

 💜

Lange Zeit saß Franziska nur still da. Sie fühle sich seltsam leicht und friedlich. Hatte sie das alles nur geträumt? „Triff eine Entscheidung, die dich glücklich macht!“ hörte sie die Stimme des Jungen immer noch in ihrem Ohr. Dieser einfache Satz hatte bewirkt, dass in ihr Zuversicht entstanden war. Alles könnte gut werden. Ihre eigenen Entscheidungen hatten damit zu tun.

Sie schrak zusammen als plötzlich das Telefon klingelte. „Frrrreudensprrrrung! Wir kaufen nichts!“ grölte Fred durchs Haus.  Mühsam erhob sie sich und schlurfte ins Wohnzimmer. „Freudensprung“, meldete sich, und sie merkte, dass ihre Stimme anders klang als sonst. Irgendwie heller, fröhlicher. Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. Sie hörte nur leises Atmen. „Hallo? Ist da jemand?“ fragte sie nochmal. „Franziska!“ hörte sie eine wohlvertraute Stimme an ihr Ohr klingen. Gottlieb! Gottlieb hatte angerufen. Sie hielt die Luft an. „Franziska, ich erwarte nicht, dass du mir verzeihst.“ Gottliebs sprach leise und seine Stimme klang heiser. „Aber ich möchte, dass du weißt, wie unendlich leid mir alles tut.“ Sie schwieg nur eine Sekunde lang. Dann sagte sie mit sanfter Stimme. „Komm nach Hause, Gottlieb. Komm einfach nach Hause!“ 

Franziska saß immer noch fassungslos neben dem Telefon, nachdem sie schon längst aufgelegt hatte. Gottlieb würde nach Hause kommen. Sie bemerkte zum ersten Mal, wie sehr er ihr gefehlt hatte, wie sehr sie ihn liebte.

Wenn doch nur auch Kuno kommen würde. Wie sehr wünschte sie sich das. Aber der war vermutlich zu stolz und zu starrköpfig. Da fielen ihr die Worte des Jungen wieder ein. „Triff eine Entscheidung, die dich glücklich macht.“ Das war es. Sie musste nicht warten, bis Kuno eine Entscheidung traf. Sie konnte selbst handeln.

Rasch eilte sie in ihre Garderobe, zog Schuhe und Mantel an und verließ entschlossen ihr Haus. Sie würde zu Kuno gehen und ihn für den Weihnachtsabend einladen.

Es schneite immer noch und sie zog den Kopf ein, als sie raschen Schrittes ihren Garten durchquerte. So sah sie auch nicht die dunkle Gestalt, die gerade ihren Garten betrat. Geradewegs rannte sie in sie hinein. Erschrocken hob sie den Kopf und traute ihren Augen nicht. Kuno! Kuno war zu ihr gekommen. „Guten Abend, Franziska. Wohin so stürmisch?“ fragte er mit seiner tiefen, warmen Stimme. „Ich wollte gerade zu dir!“ stammelte sie verwirrt. „Ich wollte dich für Weihnachten einladen.“ „Das trifft sich, denn ich hatte ähnliches im Sinn!“ Kuno lächelte. Er lächelte glücklich wie nie zuvor. Keine Herablassung, keine Geringschätzung lag in seinem Lächeln. Warm und herzlich lächelte er.

So kam es, dass am Weihnachtsabend drei glückliche Menschen und ein gesprächiger Papagei  in Franziskas Wohnzimmer saßen. Vor einem Weihnachtsbaum, den sie im letzten Augenblick noch gekauft und geschmückt hatten.

Und alle drei dachten voller Dankbarkeit an den Jungen, von dem sie sich nicht sicher waren, ob sie ihn nicht nur geträumt hatten und von dem sie den anderen nie erzählen würden.


E.M.

Freitag, 4. März 2022

Fragen über Fragen

Nachdenklich in lauten Zeiten

Wir leben in turbulenten Zeiten.
Seit Jahren prasseln Angstbotschaften auf uns ein –
zuerst in Form aggressiver Impfkampagnen,
nun in Form einer Kriegsrhetorik,
die uns kaum noch Raum zum Atmen lässt.

Und ich frage mich:
Was geschieht da gerade in uns Menschen?

Sind es dieselben Menschen,
die gestern noch laut „Frieden für die Welt“ forderten
und heute russische Mitbürger ausgrenzen,
beschimpfen,
und ihnen die ärztliche Behandlung verweigern?

Sind es dieselben,
die heute Flüchtlinge aus der Ukraine mit offenen Armen empfangen würden,
aber vor wenigen Jahren beim Ertrinken syrischer Kinder schwiegen –
oder sogar hämisch applaudierten?

Sind es dieselben,
die nun kein russisches Produkt mehr kaufen wollen,
aber seit Jahrzehnten durch Billigkäufe
Ausbeutung, Kinderarbeit und Umweltzerstörung stützen –
sofern es nur weit genug weg geschieht?

Sind es dieselben,
die kaum wissen,
seit wie vielen Jahren in der Ukraine tatsächlich Krieg herrscht,
aber dennoch glauben,
die gesamte geopolitische Lage nun durchschauen zu können?

Und was ist mit jenen,
die der Corona-Berichterstattung nicht mehr trauten –
aber nun jede Kriegsnachricht ohne Frage glauben,
als wäre die Wahrheit plötzlich zurückgekehrt?

Die USA führten unter Obama fast acht Jahre lang Krieg.
Und dennoch erhielt er den Friedensnobelpreis.
Wer das damals als gerecht empfand –
ist der heute wirklich in der Position,
über Gut und Böse zu urteilen?

Ich stelle diese Fragen nicht,
weil ich die Antwort weiß.
Ich stelle sie,
weil ich etwas anderes vermisse:

Aufrichtigkeit.
Empathie.
Den Mut, zu differenzieren.
Den Willen, Widersprüche auszuhalten.

Ich weiß:
Die Welt ist nicht schwarz-weiß.
Aber manchmal wäre schon viel gewonnen,
wenn wir aufhören würden,
so zu tun, als sei sie es.





Dienstag, 16. November 2021

Die gegenwärtige Politik in Kurzform


Ein Mensch, der sich ein Schnitzel briet,
bemerkte dass es ihm missriet.
Jedoch da er es selbst gebraten,
tat er, als sei es ihm geraten.
Und um sich nicht zu strafen Lügen,
aß er's mit herzlichem Vergnügen.

Eugen Roth


Ja, manchmal reicht ein Gedicht, um eine ganze politische Landschaft zu erklären.
Eugen Roth hätte seine helle Freude an gewissen Regierungsentscheidungen unserer Zeit – und vermutlich Verdauungsprobleme beim Anblick des selbstgebratenen Schnitzels.

Wäre doch gut möglich, dass dem ein oder anderen "Volksvertreter" demnächst sein selbstgebratenes Schnitzel doch nicht so gut bekommt. Würde mich nicht wundern. 
Dem ist nichts hinzuzufügen. 😉





Mittwoch, 7. April 2021

Die Lösung liegt in unseren Händen

Wir leben in einer herausfordernden Zeit.

Ganz gleich, was wir glauben, hoffen oder fürchten –
eines ist gewiss: leicht ist es für niemanden.

Die Flut an Informationen, Meinungen, Warnungen und Urteilen ist laut.
So laut, dass wir manchmal kaum noch wissen, was wahr ist –
und ob es überhaupt noch etwas gibt, das wirklich verlässlich ist.

Wahrheit scheint zu etwas geworden zu sein, das jeder für sich beansprucht.
Und doch fühlt sich vieles hohl an.

Doch gerade inmitten all dessen liegt ein stilles Geschenk:
die Einladung, in die Eigenverantwortung zu gehen.
Nicht zu warten, bis jemand uns erklärt, wie es weitergeht.
Nicht zu hoffen, dass andere für uns entscheiden, was richtig ist.

Sondern still zu werden.
Und uns zu erinnern, wer wir sind.

Denn wir sind nicht machtlos.
Wir sind nicht bloß das Produkt unserer Umstände.
Wir sind schöpferische Wesen.

Unsere Gedanken, unsere Vorstellungen, unser innerer Zustand –
sie formen die Welt, die wir erleben.
Nicht als magischer Wunsch.
Sondern als tiefes Gesetz des Seins.

Angstvolle Gedanken schaffen eine Welt, die Angst spiegelt.
Gedanken der Ohnmacht ziehen Erfahrungen der Ohnmacht an.

Aber wir können wählen.
Jeden Tag. Jeden Moment neu.

Wir können uns eine friedliche, freie, lebensbejahende Welt vorstellen –
und sie in uns entstehen lassen.
Nicht, indem wir das Leid ignorieren.
Sondern indem wir erinnern,
dass unsere innere Haltung die Richtung vorgibt.

Der Weg dorthin ist kein Kampf.
Weder gegen andere, noch gegen uns selbst.
Der Weg ist Erinnerung:
An unsere Würde.
An unsere Freiheit.
An das tiefe Wissen:
Ich bin Schöpfer meines Lebens.

Niemand kann uns die Verantwortung für unser Bewusstsein abnehmen.
Niemand kann für uns im Frieden sein.
Niemand kann für uns das Licht wählen, wenn wir im Schatten bleiben wollen.

Die Lösung kommt nicht von außen.
Sie ist auch kein Geschenk, das uns überreicht wird.

Die Lösung sind wir.

In unserem Denken.
In unserem Fühlen.
In unserem Handeln.
In unserem Sein.

Das, was wir sind, wird sichtbar in der Welt.
Und darum ist jetzt der Moment, uns zu fragen:

Was strahle ich aus?
Was nähre ich mit meiner Aufmerksamkeit?
Welcher Welt gebe ich Raum in mir?

Denn genau daraus wird sie geboren:
die Welt, die wir uns wünschen.




Dienstag, 2. März 2021

Unser Spiegelbild - die große Herausforderung

Hör auf zu versuchen, die Welt zu verändern, da sie nur der Spiegel ist.
Der Versuch des Menschen, die Welt mit Gewalt zu verändern,
ist so fruchtlos wie das Zerbrechen eines Spiegels in der Hoffnung,
sein Gesicht zu verändern.
Verlasse den Spiegel und ändere dein Gesicht.
Lass die Welt in Ruhe
und ändere deine Vorstellung von dir selbst.“

Neville Goddard

Oft scheint es uns einfacher, die Welt zu verändern, als uns selbst.
Und nicht selten glauben wir, sie hätte es nötiger als wir.

Doch die Welt zeigt uns nicht, was wir uns wünschen.
Sie zeigt uns, wer wir sind.

Sie wirft uns – mit stiller Genauigkeit – unser eigenes Spiegelbild zurück:
unsere Überzeugungen, unsere inneren Haltungen, unsere Sicht auf das Leben.
Was wir im Außen erkennen, ist immer nur ein Echo unseres Inneren.

Und oft gefällt uns nicht, was wir sehen.
Wir versuchen, das Bild im Spiegel zu verändern,
ohne unser eigenes Gesicht zu wandeln.

Doch der Spiegel kann nichts anderes zeigen als das, was vor ihm steht.
Wenn wir im Außen etwas erwarten, das wir im Inneren nicht sind,
wird unsere Suche leer bleiben.

Der einzige Weg, das Spiegelbild zu wandeln,
ist, uns selbst zu betrachten – mit Offenheit, mit Güte –
und uns zu fragen:
Was will ich wirklich in die Welt bringen?
Was bin ich bereit, in mir zu verändern?

Wir können uns entscheiden:
für eine liebevolle, gütige, mitfühlende Haltung –
uns selbst gegenüber und allem, was lebt.
Wir können uns entscheiden,
den Frieden in unserem Herzen wachsen zu lassen.

Und eines Tages, ganz leise,
beginnt uns der Spiegel zuzulächeln.


„Ich habe aufgehört, das Spiegelbild zu ändern –
und angefangen, mich selbst zu lieben.
Seitdem lächelt er zurück.“

Samstag, 27. Februar 2021

Wie lenken wir unser Leben?

Wir lenken unser Leben durch unsere Überzeugungen.

Nicht durch das, was wir hoffen.
Nicht durch das, was wir glauben.
Nicht einmal durch das, was wir wissen – oder zu wissen glauben.

Wir lenken unser Leben allein durch das, wovon wir wirklich überzeugt sind.
Denn genau das – und nur das – manifestiert sich in unserer Realität.

Schon Jesus sagte:
„Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr Glauben habt und nicht zweifelt,
so werdet ihr zu diesem Berge sagen: Hebe dich auf und wirf dich ins Meer – und es wird geschehen.“

Wenn wir also einem Berg befehlen, sich ins Meer zu stürzen,
und er steht am nächsten Morgen noch da,
dann denken wir vielleicht:
„Ehrlich gesagt, ich hab’s eh gewusst.“

Und genau das ist der Punkt:
Wir haben diese Realität nie wirklich geglaubt.
Vielleicht gehofft, vielleicht erträumt –
aber nicht gefühlt.

Wir haben aus dem Verstand heraus gehandelt,
eine Realität gelenkt, an deren Verwirklichung wir keinen Augenblick lang wirklich geglaubt haben.

So sieht für viele von uns das bewusste Erschaffen aus:
Wir wünschen – wir hoffen – wir glauben halb. Oder gar nicht.
Und wir verstecken uns hinter einem einzigen schwammigen Wort:

„Irgendwann.“

Irgendwann werde ich glücklich sein.
Irgendwann werde ich gesund sein.
Irgendwann werde ich finanziell frei sein.
Irgendwann wird der richtige Mensch in mein Leben treten.

Doch solange wir unsere Kraft ins „Irgendwann“ verlagern,
halten wir sie fern vom einzigen Moment,
in dem Veränderung geschehen kann:

Jetzt.

Neville Goddard sagte:
„Bewusste Schöpfung beginnt im Gefühl des erfüllten Wunsches.“
Fühle, dass es schon da ist.
Freue dich darüber.
Sei dankbar – jetzt.

Dr. Joe Dispenza nennt Dankbarkeit den „ultimativen Zustand des Empfangens“.

Also:
Bleiben wir in der Freude.
In der Dankbarkeit.
In der Gewissheit, dass alles, was wir sind, bereits genug ist.

Beginnen wir jeden Tag mit einem Jubelschrei und dem Gefühl der Unbesiegbarkeit. Und jeder einzelne unserer Berge wird sich vor unseren Augen ins Meer stürzen.



Freitag, 5. Februar 2021

Meta Morfoss


Heute teile ich mit euch eine wundervolle Geschichte von Peter Hacks.

Meta Morfoss

Meta Morfoss war ein kleines Mädchen, welches die Angewohnheit hatte, sich dauernd zu verwandeln. Manchmal verwandelte sie sich in eine Muschel und lag ganz still im Algenwald und träumte im warmen Unterwasser vor sich hin. Wenn dann die Jungens im Teich tauchten und versuchten, die Muschel an die Oberfläche zu holen, klappte sie ihre Schalen zusammen und sagte ein bisschen furchtsam: »Aber ich bin doch die Meta.«

Oder sie verwandelte sich in einen Engel und flog mit langsamen Flügelschlägen durch den Abend. Dann konnte es vorkommen, dass sie einem Flugzeug begegnete und der Kapitän sehr erstaunt zu sich sagte: »Merkwürdig, hier fliegt ein Engel.« Und er starrte so angestrengt zum Fenster hinaus, dass das Flugzeug zu schwanken anfing. Und Meta rief ihm tröstend hinterher: »Aber ich bin doch die Meta!«

Oder sie verwandelte sich in eine Dampflokomotive und wog 100 Tonnen und raste mit ungeheurem Getöse die Schienen entlang. Es ist doch aber so, dass die Eisenbahnschienen für die ordentlichen Züge bestimmt sind, die mit Gütern oder Reisenden unterwegs sind und die Eisenbahnverwaltung hat schließlich einen genauen Fahrplan ausgerechnet, damit die Züge niemals zusammenstoßen. Die Zugführer erschraken daher nicht wenig, wenn sie auf dem eigenen Geleise eine Lokomotive auf sich zudampfen sahen, die nicht im Fahrplan stand und auch vom Bahnwärter nicht gemeldet war. Natürlich verwandelte sich Meta immer rechtzeitig in das kleine Mädchen zurück, das sie wirklich war, und sie sprang vom Bahndamm und erläuterte mit einem allerhöflichsten Knicks: »Aber ich bin doch die Meta!«

Aber was nützte das denn noch? Wenn es auch mit knapper Not kein Unglück gab, die Zugführer hatten doch einen bösen Schreck bekommen. Man muss also ehrlich zugeben, dass Meta Morfoss den Menschen eine Menge Schwierigkeiten bereitete. Sie meinte es gewiss nicht böse. Nur verwandeln sich eben die meisten Leute sehr selten in eine andere Sache, und, wer das schon unbedingt tun muss, sollte doch gelegentlich darüber nachdenken, ob er nicht stört.

Meta lebte zusammen mit ihren Eltern und einer Tante, die einen Schnurrbart hatte und deswegen Herr Maffrodit hieß, in einem kleinen Haus am Rande des Stadtparks.

Metas Eltern hatten sich an die seltsame Eigenschaft ihrer Tochter schon einigermaßen gewöhnt - seit jenem ersten Mal, wo sie, anstatt eines Säuglings, eine Wärmflasche im Kinderbettchen gefunden hatten, die mit einer glucksenden Gummistimme erklärt hatte: »Binna Meta« (Denn, wie gesagt, Meta war da noch sehr klein gewesen und konnte sich nicht richtiger ausdrücken.) So wunderten sich die Eltern über gar nichts mehr. Ob nun mitten im Wohnzimmer ein Platzregen niederging, oder ob am Tischbein eine Orchidee wuchs, die, in fremdartigen Farben schillernd, ab und zu eine Fliege verspeiste, oder ob auf Herrn Maffrodits Nähtisch eine wollene Socke lag, die vier Meter lang war und nicht einmal mehr einer Giraffe gepasst hätte: Frau und Herr Morfoss wussten längst, dass das die Meta war, und achteten überhaupt nicht darauf.

Übrigens kann es auch ein Fehler sein, wenn man alles schon vorher weiß und auf nichts mehr achtet.

Eines Abends zum Bei­spiel ereignete sich eine ganz ungewöhnliche Geschichte.

Es gab nämlich in der Stadt einen besonders schlecht erzogenen jungen Mann, der sich abscheulicherweise in mondlosen Nächten ein schwarzes Halstuch vors Gesicht band, sich einen Revol­ver (mit dem er zum Glück nicht schießen konnte) in die Tasche steckte und in allein stehende Häuser einbrach, um dort Matchbox-Autos und Brillantringe zu rauben. An dem Abend, von dem wir reden, hatte er beschlossen, bei der Familie  Morfoss einzubrechen.

Herr Morfoss saß eben vor dem Fernseher, Frau Morfoss las in der Zeitung, und Herr Maffrodit, die Tante, strickte eine Socke, die genauso lang war, wie es sich für eine Socke gehört.

Da kam der Einbrecher durchs Fenster gestiegen und sagte: »Das ist ein Überfall. Keiner bewegt sich!« Die Familie glaubte natürlich, dass der Einbrecher Meta sei. Wo gibt es denn so etwas noch, Einbrecher! Herr Morfoss ging in aller Seelenruhe zum Fernsehgerät und stellte eine andere Sendung ein, die leider ebenso langweilig war wie die bisherige; Frau Morfoss hob die Augen gar nicht von ihrer Zeitung, und Herr Maffrodit klapperte weiter mit ihren Nadeln.

Der Einbrecher fuchtelte mit dem Revolver und brüllte: »Hände hoch, sonst wird geschossen!« Niemand kümmerte sich um ihn. Der Einbrecher wurde fast närrisch vor Zorn. Er drückte den Revolver Herrn Morfoss in den Bauch und flüsterte heiser: »Das Geld oder das Leben!«

»Schon gut «, sagte Herr Morfoss geduldig. »du bist ja die Meta.«

Da erkannte der Einbrecher, dass sich niemand vor ihm fürchten wollte. Er ging verwirrt weg. Und er zweifelte an seiner Eignung für diesen Beruf und hängte ihn an den Nagel, und er ist dann, wie wir in Erfahrung gebracht haben, noch ein sehr ordentlicher Autoschlosser geworden.

Zu Hause also ging es Meta so gut oder so schlecht, wie es kleinen Mädchen zu Hause einmal geht. Aber wie ging es in der Schule? Wir sehen gleich, dass das eine wichtige Frage ist, und wir wollen sie beantworten, indem wir die Sache von ihrem Anfang an erzählen.

Der Lehrer, er hieß Herr Dr. Pauli, hatte Meta aufgefordert vorzutragen, was sie über den Himmel wusste. Meta war - das kommt bei kleinen Mädchen gelegentlich vor - in einer schauderhaften Blödellaune. Sie stand auf und äußerte mit todernstem Gesicht den folgenden Unsinn: »Der Himmel ist ein großer, runder, blauer Teller. Der Abend ist eine Schokoladensoße, die, vom Rand her, auf den Teller gekippt wird. Wenn der Teller voll ist, ist Nacht. Am Morgen kommt die Sonne und leckt die Schokolade wieder ab; vermutlich ist sie eine Katze.«

»Was erzählst du uns da!« sagte Herr Dr. Pauli.

»Doch«, sagte Meta, »eigentlich bin ich ganz sicher, dass die Sonne eine Katze ist.«

»Sag einmal«, bemerkte Herr Dr. Pauli trocken, »bist du nicht ein bisschen sehr albern?«

An dieser Stelle des Gesprächs verwandelte sich Meta in den Professor Albert Einstein.

Der Professor Einstein, das muss man hier wissen, lebte vor noch gar nicht so langer Zeit und war ein gütiger alter Herr mit wehenden weißen Haaren. Zugleich war er von allen Gelehrten vor oder nach ihm derjenige, der über Himmelsdinge am besten Bescheid wusste.

Meta - oder Professur Einstein, wie man will - erhob sich sehr würdig, schritt zur Tafel und schrieb mit Kreide ein paar schwierige Ausdrücke darauf, die niemand verstehen konnte, nicht einmal der Lehrer.

Hiernach räusperte sie sich und sprach: »Meine hoch verehrten Damen und Herren! Alle Sterne drehen sich um alle Sterne. Es gibt große und kleine Sterne, helle und dunkle, wichtigere und weniger wichtige, aber es ist keiner unter ihnen, auf den es nicht ankommt. Jeder Stern hat ein bisschen Recht. Und was wir Menschen von den Sternen lernen können, ist, wie nett sie, obgleich jeder ein bisschen Recht hat, sich am Ende miteinander geeinigt haben. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.«

Nachdem sie das gesagt hatte, ergriff sie eine Geige und spielte eine wunderschöne Melodie.

»Sie sind nicht Professor Einstein«. sprach Dr. Pauli, der Lehrer.

»Hoppla«, sagte Meta verdutzt, »woher wissen Sie das?«

»Erstens«, entgegnete Herr Dr. Pauli »ist Professor Einstein leider schon vor einer Weile verstorben, und zweitens, was vielleicht noch bedeutsamer ist, hat er bekanntlich überaus schlecht die Violine gespielt.«

»Nein, nein«, fügte er hinzu, »wer so gut geigt, ist kein Einstein.«

»Stimmt«, gab Meta zu, »was das Geigen anlangt, ist mir ein Schuss Oistrach dazwischengekommen.« »Bleibt also zu klären«, sagte der Lehrer. »wer Sie sind?«

»Aber ich bin doch die Metal« rief Meta. (Wir haben es schon erwähnt: sie meinte es wirklich nicht böse.)

»Dann muss ich allerdings diese Ablenkung vom Gegenstande des Unterrichts in mein Merkbüchlein eintragen«, sagte Herr Dr. Pauli mit Nachdruck.

Er zog das Merkbüchlein aus der Brusttasche. Meta aber, die ihr Betragen so sehr tadelnswert nicht fand, wie sie es wahrscheinlich hätte finden sollen, ärgerte sich darüber, und sie verwandelte sich ganz flink in Dr. Paulis Füllfederhalter.

Sie hatte die Absicht, beim Eintragen einen mächtigen Tintenfleck zu verspritzen. Aber wie erstaunt war sie, als sie merkte, dass der Lehrer gar nichts in das Buch eintrug.

Er tat zwar so, als schriebe er den Namen Meta Morfoss, in Wahrheit jedoch malte er die Buchstaben in die Luft.

Da entdeckte Meta, wie gut Herr Dr. Pauli es mit ihr meinte. Und seit sich dieser Vorfall so begeben hatte, unterließ es Meta, sich während der Schulstunden in irgendetwas oder irgendwen zu verwandeln, so hart es sie auch oft ankam.

Nun lässt sich ja verstehen, dass Meta ihrer Angewohnheit am heftigsten nachgab, sobald die Schule aus war. Sie hatte sich fünf oder sechs oder sogar sieben Stunden lang solche Mühe gegeben, unverwandelt zu bleiben. Im Augenblick, wo sie sich verwandeln durfte, tat sie es meistens sofort.

Und wenn es ihr besonders schwer gefallen war, einfach bloß immer die Meta zu sein, verwandelte sie sich gern in etwas Unangenehmes.

Zum Beispiel fiel ihr - es muss Ende letzten Sommers gewesen sein - ein, sich in ein Krokodil zu verwandeln, das auf der Straße sitzt und die Zähne fletscht. Sie sah wirklich ziemlich fürchterlich aus; denn Krokodile haben sehr lange und gelbe Zähne. Die Fußgänger drückten sich vorsichtig an den Hauswänden entlang, und selbst die Autofahrer machten lieber einen Bogen um das Ungeheuer. Da kam der Müllmann, Herr Karsunke, in seinem Straßenreinigungsfahrzeug des Weges gefahren. Als er das Krokodil sitzen sah, sprach er die folgenden Worte zu sich selber: »Hier stelle ich aber eine deutliche Verunreinigung der Fahrbahn fest.« Und er schwenkte seinen Bagger aus und schaufelte das Krokodil kurzerhand in den Behälter, dorthin, wo der übrige Müll stak.

Aber weil Meta sich in ein Krokodil-das-auf-der-Straße-sitzt-und-die-Zähne-fletscht und nicht in ein Krokodil-das-im-Müllkasten-liegt-und-sich-die-Därme-durchrütteln-läßt verwandelt hatte, blieb sie keine Sekunde lang in dem Auto, sondern saß sogleich wieder, nur ein Stückchen weiter vorn, auf der Straße.

»Was Teufel«, sagte Herr Karsunke zu sich, »noch ein Krokodil?« Er hob auch dieses Krokodil in sein Auto. Und wieder saß Meta ein Stück vor ihm und blickte ihn mit bösen Augen an und fletschte die langen gelben Zähne. Und so ging das denn immer weiter. Und der Vorgang wiederholte sich so oft, dass Herr Karsunke, als er seine Strecke abgefahren hatte, glaubte, er hätte seinen riesengroßen Kasten jetzt bis zum Rand voll mit Krokodilen.

Er fuhr den Schuttberg hinauf und stellte sich mit der Rückseite des Müllautos an dessen Rand. Und dann zog er den Hebel, der die hintere Tür öffnet und die ganze Ladung den Berg hinunterkippt. Doch als er nachsah, war kein einziges Krokodil herausgefallen.

Alles, was da die Halde hinabrollte, war ein bisschen Knüllpapier, einige Sofaspiralen und sechs oder sieben Dachschindeln, die vom letzten Sturm her auf dem Pflaster gelegen hatten. Herr Karsunke, der genau wusste, wie viele Krokodile er aufgesammelt hatte, rieb sich ein paar Mal mit dem Handrücken über die Augen. Das half natürlich auch nichts. Er ging verstört zur Fahrerkabine zurück.

Neben der Fahrerkabine saß ein Krokodil; es fletschte die langen und gelben Zähne und sagte entschuldigend: »Aber ich bin doch die Meta!« »Wenn das so ist ...«, versetzte Herr Karsunke, »werde ich mich bei deinen Eltern beschweren.«

Und noch desselbigen Tages, nachdem er sich gewaschen und zwei Stullen gegessen hatte, ging Herr Karsunke zum Hause der Familie Morfoss und läutete an der Tür. Die Tante öffnete ihm.

»Karsunke«, sagte der Müllmann mit einer Verbeugung.

»Maffrodit«, stellte sich die Tante ihrerseits vor.

»Nun«, sagte der Müllmann. »um ein Wort von Mann zu Mann zu reden ... «

»Von Mann zu Frau«, unterbrach ihn die Tante und zwirbelte ihren Schnurrbart. »Entschuldigen Sie, Frau Maffrodit«, sagte der Müllmann. »Herr Maffrodit bitte«, verbesserte die Tante.

»Also Herr Maffrodit«, sagte der Müllmann, »von Mann zu Frau, oder sagen wir vielleicht lieber: Ganz unter uns zwei beiden, ich habe eine Beschwerde über ihr Fräulein Nichte vorzutragen.«

»Kommen Sie nur ruhig herein«, sagte die Tante. »Der Lehrer Pauli ist auch schon drin, es ist ein Abwasch.«

Herr Karsunke folgte Herrn Maffrodit ins Wohnzimmer, und Frau und Herr Morfoss und Herr Dr. Pauli gaben ihm die Hand, und Herr Morfoss brachte ein paar Flaschen Bier, und dann saßen sie alle um den Tisch herum und redeten über Meta.

»Ich weiß nicht, von wem sie das hat«, sagte Frau Morfoss.

»Geerbt kann sie es nicht haben; denn weder mein Mann noch ich haben jemals die mindeste Lust verspürt, uns in allerlei fremdes Zeug zu verwandeln. Beigebracht haben wir es ihr natürlich auch nicht.«

»Kinder kommen eben manchmal auf Ideen«, sagte Herr Morfoss.

»Ich muss bestätigen«, erklärte Herr Dr. Pauli, »dass sie sich meistens recht rücksichtsvoll verhält.« »Außer wenn sie ein Krokodil ist«, rief Herr Karsunke.

»Zugegeben«, sagte der Lehrer. »Das geht entschieden zu weit.«

»Sie ist hässlich«, sagte Herr Karsunke.

»Außer wenn sie ein Engel ist«, widersprach Frau Morfoss.

»Wie?« fragte der Müllmann, »sie ist auch gelegentlich ein Engel?«

Frau Morfoss beteuerte es.

»Aber dann liegt der Fall ja noch schlimmer, als ich dachte« sagte der Müllmann. »Wenn sie stets ein Krokodil wäre, wüsste man wenigstens mit der Zeit, woran man ist. Ein Krokodil, das ist nicht das Ärgste. Aber nun auch noch ein Engel!«

»Was haben Sie gegen Engel?« erkundigte sich der Lehrer.

»Gar nichts«, sagte Herr Karsunke, »im Gegenteil, ich finde Engel ausgesprochen niedlich, ich verlange nur eins: Dass sie sich endlich entscheidet, wer sie sein will, damit man sich daran gewöhnen kann.«

»Wir haben uns auch so daran gewöhnt«, sagte Herr Morfoss.

»Es ist doch ganz klar, wer sie ist«, sagte Frau Morfoss.

»Sie ist doch die Meta.«Hier erhob sich Herr Maffrodit, die Tante.

»Natürlich muss man verhindern, dass sie dumme Streiche macht«, sagte sie. »Aber im übrigen glaube ich nicht, dass man viel an ihr ändern kann. Und wenn ich es zum Beispiel könnte, wüsste ich gar nicht, wo ich das Recht dazu hernehmen sollte.«

Danach schwiegen sie eine Weile.

Und dann ging Herr Morfoss in die Speisekammer und holte noch ein paar Flaschen Bier, und die tranken sie zusammen aus und sprachen von Dingen, die minder erwähnenswert sind und die wir deshalb auch keineswegs erwähnen wollen.

Und darum sieht es so aus, als würde Meta Morfoss nicht aufhören, sich zu verwandeln: In einen Felsen oder in einen Goldfisch oder in irgendetwas, auf das wir jetzt gar nicht kommen.

Vielleicht eines Tages, wenn wir in aller Gemütlichkeit ein Buch lesen, kann geschehen, dass wir das Buch aufschlagen und es überraschenderweise in sehr artigem Tone zu uns sagt: »Aber ich bin doch die Meta!«

Denn möglich ist ja mehr, als wir oft denken.

Peter Hacks

Montag, 1. Februar 2021

Morgengesang der Seele

Danke für mein freudiges Erwachen
im Licht dieses neuen Tages,
der nun vor mir liegt
und das Potential hat,
der beste meines bisherigen Lebens zu werden.

Danke dafür, dass alles,
was noch nicht in der göttlichen Ordnung schwingt,
in Liebe berührt
und geheilt werden darf.

Danke für die Freiheit,
heute nur Entscheidungen zu treffen,
die auf Liebe und Vertrauen beruhen
und mir und dem Leben dienen.

Danke für das spielerische, leichte Gelingen
meiner Träume, Pläne und Absichten.
Ich bin geführt, gehalten, gesegnet.

Danke, dass ich an Wunder glauben darf,
und dass die göttliche Fülle meine Realität ist –
nicht in ferner Zukunft,
sondern hier und jetzt,
in der atmenden Gegenwart.

Danke, dass alles, was ich wünsche und brauche,
zum bestmöglichen Zeitpunkt in meine Hände fällt – 
genau dann, wenn mein Herz dafür bereit ist.

Danke für die Kraft meines Körpers,
sich immer wieder selbst zu heilen,
und für die Jugend, die in mir nie vergeht –
weil sie göttliches Licht ist,
nicht eine Anzahl gelebter Jahre.

Danke, dass ich mich selbst mit den Augen der Liebe sehen darf,
so wie der Schöpfer mich sieht:
schön, vollkommen und ewig.

Danke für mein unvergängliches Sein
und für meine Einzigartigkeit
in der göttlichen Schöpfung.

Aus dem höchsten göttlichen Licht der Liebe
möge der goldene Regen des Segens, 
des Schutzes und der Heilung
durch mich fließen
und alles berühren, 
womit ich sichtbar oder unsichtbar verbunden bin,
und möge ich in jedem Augenblick meines Lebens
ein Quell der Liebe, Güte und Freude sein.